Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht kündigt eine Entscheidung über das Handelsabkommen Ceta an. Wirtschaftsminister warnt vor einer Blockade.

Auf dem Spiel steht ein zentrales Projekt von Sigmar Gabriel: Mit eindringlichen Worten hat der SPD-Chef, Wirtschaftsminister und Vizekanzler vor einem Stopp des Freihandelsabkommens Ceta durch das Bundesverfassungsgericht gewarnt.

Der Schaden für Deutschland und die Europäische Union wäre gigantisch, sagte Gabriel in der Verhandlung am Mittwoch in Karlsruhe. Die Richter haben binnen 24 Stunden über mehrere Eilanträge von Ceta-Gegnern zu entscheiden. Ihr Urteil kündigten sie für Donnerstag um 10 Uhr an.

Verfassungsgericht berät über Beschwerden gegen Ceta

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    Abkommen soll am 27. Oktober unterzeichnet werden

    Die Zeit drängt, denn das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada soll am 27. Oktober bei einem Gipfeltreffen unterzeichnet werden. Vorgesehen ist, dass weite Teile von Ceta nach Zustimmung des EU-Parlaments dann bereits vorläufig in Kraft treten.

    Der Bundestag und die Parlamente der anderen EU-Staaten würden erst später zustimmen. Die Kläger wollen erreichen, dass das Gericht der Bundesregierung untersagt, diesem Vorgehen bei einem Treffen der EU-Handelsminister am 18. Oktober zuzustimmen.

    Gabriel: Vertrauen in deutsche Vertragsfähigkeit gefährdet

    Nach Gabriels Darstellung würde ein solches Urteil das endgültige Scheitern von Ceta bedeuten: Der Gipfel müsste ausfallen und Kanada wäre so brüskiert, dass an einen Abschluss zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu denken wäre. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, was das für Europa bedeuten könnte“, sagte der Vizekanzler. In der Welt würde dann niemand mehr Vertrauen in die Vertragsfähigkeit Deutschlands und der EU haben.

    Der Minister zeigte deutlich, dass ihm Ceta am Herzen liegt. Viele Nachfragen von der Richterbank beantwortete er persönlich und schickte nicht den Prozessbevollmächtigten der Bundesregierung vor. Er verstehe, dass Ceta vielen Menschen Sorgen mache, sagte er.

    Größte Bürgerklagen in der Geschichte Deutschlands

    Zwei der insgesamt vier Verfassungsbeschwerden sind die größten Bürgerklagen in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Aktionsbündnis „Nein zu Ceta“ der Organisationen Foodwatch, Campact und Mehr Demokratie hat mehr als 125.000 Mitkläger mobilisiert. Die 70 Jahre alte Musiklehrerin Marianne Grimmenstein aus NRW hat mit ihrem Ehemann rund 68.000 Vollmachten zusammengetragen.

    Für die Ceta-Gegner ist es in jedem Fall ein Erfolg, dass der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle ihre Klagen genauer in einem Hauptsacheverfahren prüfen will. Es stehe bereits jetzt fest, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen erst dann abschließend geklärt werden könnten, sagte Voßkuhle gleich zum Verhandlungsauftakt.

    Käme Deutschland nach Unterzeichnung wieder aus Vertrag?

    Im Eilverfahren klärt das Gericht in erster Linie, ob in der Zwischenzeit nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen, wenn das Handelsabkommen schon einmal vorläufig in Kraft tritt.

    Zentrale Frage ist dabei, ob Deutschland aus Ceta nach der Unterzeichnung überhaupt wieder herauskäme. Das ginge nur, wenn jeder einzelne Mitgliedstaat eine Kündigungsmöglichkeit hat. Die Verfassungsrichter verwendeten viel Zeit darauf, in diesem Punkt Licht in die teils unklare Vertragslage zu bringen. Die Bundesregierung vertrat die Ansicht, dass die Kündigung möglich sei. Gabriel sagte dem Gericht zu, dies auch verbindlich festzuhalten.

    Bund erhofft sich Handelsraum fast ohne Zölle

    Die Bundesregierung erhofft sich von dem Handelsraum fast ohne Zölle und andere Hemmnisse wirtschaftliche Impulse und neue Absatzmärkte. Die Ceta-Gegner wehren sich gegen die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und die Einrichtung eines Gerichts für Investitionsstreitigkeiten.

    Außerdem bestehe die Gefahr, dass soziale und ökologische Standards abgesenkt würden, warnte Linksfraktionsvize Klaus Ernst. Die Linke-Abgeordneten im Bundestag haben Verfassungs- und Organklage eingereicht. Die vierte Verfassungsbeschwerde kommt von dem Europaparlamentarier Klaus Buchner (ÖDP). (Az. 2 BvR 1368/16 u.a.) (dpa)