Berlin. Ab 1. Oktober hat jeder, der mindestens drei Medikamente einnimmt, Anspruch auf einen Medikamentenplan. Das alarmiert Datenschützer.

Bluthochdruck, Zucker, Rückenschmerzen und Schlafstörungen: Ältere Patienten quälen sich oft mit vielen Leiden gleichzeitig. Nicht nur die Kranken selbst verlieren dabei schnell den Überblick über ihre Medikamente – auch die behandelnden Ärzte wissen nicht immer, welcher Kollege welches Mittel verschrieben hat. Vom 1. Oktober an haben Patienten, die mehr als drei Arzneimittel einnehmen, Anspruch auf einen Medikationsplan.

Er ist Teil der geplanten Digitalisierung des Gesundheitswesens – doch weil die elektronische Gesundheitskarte noch immer nicht kann, was sie längst können sollte, kommt der Medikationsplan jetzt erstmal auf Papier. Viele Bundesbürger, so zeigt eine neue Umfrage, blicken ohnedies mit gemischten Gefühlen auf die digitale Speicherung von Gesundheitsdaten.

Neues Recht auf einen Medikationsplan

Es sei schon bemerkenswert, spottet Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, dass die Bürger vom neuen E-Health-Gesetz als erstes ein Papierprodukt zu sehen bekommen. Aber: „Ein gedruckter Medikationsplan ist sinnvoller als gar keiner.“ 20 Millionen gesetzlich Versicherte haben nach Berechnungen der AOK Anspruch auf einen solchen Plan, bei den über 75-Jährigen nehmen drei von vier Deutschen mindestens drei Medikamente gleichzeitig ein.

Die Hoffnung: Wird der Medikationsplan von Ärzten und Apothekern – aber auch von den Patienten selbst – solide geführt und werden neue Medikamente nachgetragen, lassen sich Wechselwirkungen leichter vermeiden. Ab 2018 sollen die Daten schließlich auch digital über die elektronische Gesundheitskarte gespeichert und abgerufen werden können – anderthalb Jahrzehnte nach dem ersten Vorstoß in Richtung Digitalisierung.

Ob auf Papier oder digital, beim Medikationsplan entscheidet der Patient, welche Daten der Hausarzt einträgt, wem er die Auflistung zeigt und wer sie aktualisiert. Doch was datenschutzrechtlich gut klingt, macht es in der Praxis schwer: „Der Medikationsplan wird benutzt werden, aber nicht ordentlich gepflegt werden“, befürchtet Baas. Zumal die Apotheker – anders als die Ärzte – die Pflege des Dokuments erst honoriert bekommen, wenn es als digitales Element der elektronischen Gesundheitskarte zur Verfügung steht.

Gesundheits-Apps: Viele Deutsch skeptisch

In zwei Jahren soll die digitale Vernetzung von Arztpraxen, Kliniken und Rettungsdiensten, Apotheken und Krankenkassen Standard sein. Auf dem freien Markt der Gesundheits-Apps geht die Entwicklung unterdessen deutlich rasanter: Mehr als 100.000 Apps vermessen mittlerweile Gesundheit und Fitness ihrer Nutzer – und speichern Milliarden Daten über Blutdruck, Bewegung oder Essverhalten. Doch sie können noch mehr: Apps erinnern an die pünktliche Tabletteneinnahme oder helfen beim Abnehmen.

Bislang nutzt nur jeder Zwanzigste solche aktiven Gesundheits-Apps – und nur ein Drittel der Deutschen wünscht sich, dass solche Apps in zehn Jahren üblich sein werden. Die große Mehrheit aber ahnt, dass sie bald nicht mehr wegzudenken sind. Wie eine neue Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse zeigt, unterscheiden die Bürger dabei deutlich zwischen typischen Fitnessdaten und Gesundheitsdaten: Weniger als die Hälfte würde Blutzuckerwerte, Schlafrhythmus oder Details ihrer Ernährung aufzeichnen lassen – bei Puls, Kalorienverbrauch oder zurückgelegten Schritten dagegen würde die große Mehrheit zustimmen.

Die Anbieter richten sich danach: Eine Marktanalyse des Bundesgesundheitsministeriums hatte im Frühjahr ergeben, dass bei den gegenwärtig angebotenen Gesundheits-Apps Angebote mit diagnostischem oder sogar therapeutischem Anspruch bisher eher selten sind.

Kasse wirbt für die digitale Gesundheitsakte

Doch wohin mit all den Daten, die tagtäglich von den Apps aufgezeichnet werden? Drei von vier Deutschen können sich die Einführung einer digitalen Gesundheitsakte vorstellen – etwa um selbst gemessene Daten zu speichern. Die Kassen haben ein hohes Interesse daran, solche Akten anzubieten – und das Feld nicht globalen Datenstaubsaugern wie Google zu überlassen. „Wir als Krankenkasse sind erfahren im Umgang mit sensiblen Daten“, sagt Baas.

Auf die Frage, welche ihrer eigenen Messwerte die Bürger ihrer Versicherung zur Verfügung stellen würden, sagten zwei Drittel, sie würden ihre Daten auswerten lassen, um die Früherkennung schwerer Krankheiten zu fördern. Bei Routinedaten wie Blutdruck sind sie schon skeptischer, nur ein Drittel würde auch seine Fitness auf diesem Weg betreuen und belohnen lassen. Jeder Vierte aber sagt klar: Keine App-Daten für die Versicherung.

Auch mit Blick auf den Arztbesuch gibt es viele, die sich längst auf die Digitalisierung eingestellt haben – sie deswegen aber nicht gleich gutheißen. So rechnen zwei Drittel damit, dass Ärzte ihre Patienten in zehn Jahren regulär auch per Online-Chat oder E-Mail versorgen werden. Doch zu der Frage, ob sie sich das auch wünschen, sagen genauso viele: „Nein.“