Damaskus. Waffenruhe in Syrien: Kampfflugzeuge sind vorerst abgezogen. Eine Organisation verzeichnet derweil mehr als 300.000 Bürgerkriegstote.

Die für Syrien ausgehandelte Feuerpause scheint vorerst zu halten. Abgesehen von kleineren Verstößen und Gefechten war die Situation nach Angaben von Beobachtern und Aktivisten bis Dienstagvormittag vielerorts ruhig. „In den ersten Stunden der Waffenruhe haben wir noch einige Verstöße festgestellt“, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman. „Aber seit Mitternacht gab es keine Verstöße mehr. Ich denke, das ist ein guter Beginn der Waffenruhe.“

Mit Beginn der Feuerpause zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs seien auch die Kampfflugzeuge aus dem Himmel über der besonders umkämpften nordsyrischen Metropole Aleppo verschwunden, sagte ein Sprecher der lokalen Hilfsorganisation Weißhelme.

Vereinzelte Gefechte in der Nacht

Die Beobachtungsstelle berichtete in der Nacht aber auch von vereinzelten Gefechten. Regimekräfte hätten Rebellengebiete in der nordwestlichen Provinz Idlib beschossen. In der Stadt Kuneitra an der Grenze zu Israel habe es anhaltende Schusswechsel zwischen Regierungseinheiten und Aufständischen gegeben.

Beobachtungsstelle - Leichte Verstöße gegen Waffenruhe in Syrien

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    Die von Russland und den USA ausgehandelte Feuerpause soll für alle Kräfte gelten, die nicht von den Vereinten Nationen als Terroristen eingestuft werden. Deshalb ist die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beispielsweise von der Vereinbarung ausgenommen.

    Beobachtungsstelle: Mehr als 300.000 Tote im Bürgerkrieg

    Wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag mitteilte, seien im syrischen Bürgerkrieg mehr als 301.000 Menschen getötet worden. Für diese Zahl lägen laut der in Großbritannien ansässigen Organisation Belege vor. Die tatsächliche Zahl der seit März 2011 getöteten Zivilisten und Kämpfer werde allerdings auf rund 430.000 geschätzt.

    Die Beobachtungsstelle verfügt über ein Informationsnetzwerk in Syrien. Ihre Angaben lassen sich unabhängig nicht verifizieren.

    Syrische Armee behält sich Vergeltungsaktionen vor

    Es ist unklar, inwieweit sich die Konfliktparteien an die Waffenruhe in Syrien halten werden. Die Armee von Machthaber Baschar al-Assad kündigte an, die Kämpfe gegen Rebellen zunächst sieben Tage einstellen zu wollen. Man behalte sich jedoch das Recht vor, Vergeltung für jegliche Verletzung von anderer Seite zu üben, berichtete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana am Montag unter Berufung auf die Militärspitze.

    Steinmeier: "Die Welt schaut nach Syrien"

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      Die moderate Opposition in Syrien hatte die Feuerpause begrüßt, aber „Garantien“ gefordert, dass sich die syrischen Truppen an die Absprachen halten. Sie befürchtet, das Regime könnte die Feuerpause nutzen, um Gebiete zurückzuerobern. Das Rebellenbündnis Syrische Koalition bezeichnete Waffenruhe als „Schritt in die richtige Richtung“.

      Steinmeier: Keine Spiele auf dem Rücken der Menschen

      Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte die Konfliktparteien auf, die Feuerpause nun auch einzuhalten. „Wir haben jetzt zumindest wieder eine halbwegs realistische Chance, den vom Krieg gebeutelten Menschen in Syrien tatsächlich Hilfe zukommen zu lassen“, sagte Steinmeier am Montag in Berlin. „Spiele auf dem Rücken der Menschen und Taktierereien um Geländegewinne, das muss jetzt ein Ende haben.“

      Syriens wichtigstes Oppositionsbündnis forderte die europäischen Länder auf, sich politisch stärker zu engagieren. Salim Muslit, Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees der Regimegegner (HNC), sagte der „Süddeutschen Zeitung“, es gehe nicht um ein militärisches Engagement der Europäer. Je früher die Probleme in Syrien gelöst würden, „desto früher werden auch Syrer in ihre Heimat zurückkehren können“, fügte der Sprecher hinzu.

      USA und Russland könnten Zusammenarbeit vertiefen

      Hält die Waffenruhe für sieben Tage, wollen die USA und Russland gemeinsam militärisch gegen Terrorgruppen in Syrien vorgehen. Die Feuerpause ist Voraussetzung dafür, dass Millionen Menschen in belagerten und umkämpften Gebieten wie etwa Aleppo humanitäre Hilfe erhalten.

      Syriens Partner Russland kündigte an, seine Luftangriffe auf Terroristen in dem Bürgerkriegsland trotzdem fortsetzen zu wollen. Moskau wolle die Attacken aber koordinieren, meinte General Sergej Rudskoj in Moskau. Für die Feuerpause seien alle nötigen Voraussetzungen geschaffen.

      Zahlreiche Angriffe noch kurz vor Feuerpause

      Machthaber Baschar al-Assad hatte sich vor Inkrafttreten der Feuerpause am Montag noch hart gegeben: „Die Streitkräfte machen ohne zu zögern und unabhängig aller inneren und äußeren Bedingungen weiter, um die Sicherheit in allen Gebieten Syriens wiederherzustellen“. Moskau zufolge war das Vorgehen aber mit Damaskus abgesprochen.

      In den Stunden vor der Waffenruhe hatten Luftangriffe und Kämpfe noch viele Zivilisten in Syrien getötet, unter anderem starben 13 Zivilisten bei einem Bombardement in der nordwestlichen Provinz Aleppo. (dpa/rtr)