Moskau. Der neue IS-Oberbefehlshaber war Polizeichef der Ex-Sowjetrepublik. Die Ironie: Die USA haben ihn als Anti-Terror-Kämpfer ausgebildet.

Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hat einen neuen militärischen Oberbefehlshaber. Es ist ein früherer Chef der Einsatzpolizei in der Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan. Ironie der Geschichte: Er wurde als Anti-Terror-Kämpfer in den USA ausgebildet.

Der Mann heißt Gulmurod Chalimow. Er ist laut Interpol 1,80 Meter groß, wiegt 80 Kilo, hat dunkle Augen und dunkle Haare. Er spricht Tadschikisch, Russisch und Englisch. Letzteres allerdings ziemlich unverständlich. Als er im Sommer 2015 vor einer Videokamera des IS verkündete, er sei außer in Moskau auch in den USA ausgebildet worden, war nur mit Mühe das Folgende herauszuhören: Die Stadt im Bundesstaat Louisiana, in der er seine ersten beiden Kurse als Anti-Terror-Kämpfer absolviert hatte, hieß Baton Rouge.

Vom Polizeioberst zur Terrororganisation IS

Auch das Russisch, mit dem Chalimow seinen früheren tadschikischen Chef, Innenminister Rachimosoda Chamro, beschimpfte, klang etwas kratzig. „Du hast dich beschwert, dass in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe noch immer Mädchen in Hidschabs zu sehen sind. Und ihr habt beschlossen, Prostituierte in Hidschabs zu stecken, und sie beim Wodkatrinken und Huren fürs Staatsfernsehen zu filmen und so den Islam zu verunglimpfen.“ Der Hidschab ist ein Kopftuch, das von muslimischen Frauen getragen wird.

Der hochdekorierte Polizeioberst, der damals mit einem in Tarnlappen eingewickelten Scharfschützengewehr posierte, betonte: Auch wegen „solch sittenloser Dienstbesprechungen“ sei er zum IS übergelaufen. Chalimow hatte sich im April 2014 mit etwa zehn Gesinnungsgenossen über Moskau und die Türkei nach Syrien abgesetzt. Seine zweite Frau und vier Kinder folgten.

Drei Millionen Dollar Belohnung sind auf ihn ausgesetzt

Die Quelle für Chalimows Ernennung zum Oberbefehlshaber des IS ist der irakische Fernsehsender Alsumaria. Der wiederum beruft sich auf Informationen aus den Sicherheitsorganen. Chalimows Vorgänger, der georgisch-tschetschenische Islamist Tachran Batiraschweli mit dem Kriegsnamen „Tschetschene“, war im Juli bei einem US-Bombenangriff im Süden des Iraks getötet worden. Erst Ende Juli hatten die USA drei Millionen Dollar Belohnung für Informationen über den Aufenthaltsort Chalimows ausgesetzt.

Kurt Rice vom US-Außenministerium warnte gegenüber tadschikischen Journalisten: „Im Rahmen seiner Ausbildungskurse hat Chalimow Anti-Terror-Methoden kennengelernt, die er jetzt in der Praxis anwenden kann – aber gegen uns.“ Der russische KGB-Veteran Sergei Schestow dagegen versichert, Chalimows Ausbildung tauge nicht viel. „Er wird wohl eher als Markenzeichen benutzt: Schaut her, die Muslime der Ex-Sowjetunion sind gekommen, um für den Islam zu kämpfen.“ Der Moskauer Islam-Experte Adschar Kurtow unterstreicht: „Der IS orientiert sich an alten Traditionen. Im Morgenland war es schon im Mittelalter üblich, ausländischen Feldherren mehr zu vertrauen als den eigenen.“

Viele Tadschiken oder Usbeken kämpfen für den IS in Syrien

Auch als „Markenzeichen“ könnte Chalimow den Regierenden gefährlich werden. Nach Einschätzung des russischen Militärgeheimdienstes GRU gibt es in Zentralasien etwa 4500 Islamisten im Untergrund. Und Tausende Tadschiken oder Usbeken kämpfen für den IS in Syrien und im Irak. Sie werden getrieben von der miserablen Wirtschaftslage, aber auch von sozialer Ungerechtigkeit und religiöser Unterdrückung in der Heimat.

„Der tadschikische Präsident Emomalii Rachmon benimmt sich zusehends wie ein östlicher Despot“, erklärt Aschdar Kurtow. „Unter anderem hat er die Partei der Islamischen Wiedergeburt aus dem politischen Leben gedrängt. Aber 96 Prozent der Tadschiken sind Muslime. Auch in den Sicherheitsorganen gibt es Gläubige, die so etwas erbost.“

Chalimow droht ehemaligen Dienstkollegen

Und Chalimow schimpft über Schikanen gegen Muslime, die nach Angaben zentralasiatischer Medien in Tadschikistan an der Tagesordnung sind. Darunter fällt etwa das Verbot, an öffentlichen Plätzen zu beten, oder das Eintrittsverbot für Minderjährige in die Moscheen des Landes.

Chalimow kündigt an, er werde als Dschihadist nach Tadschikistan zurückkehren. „Schaut morgens, bevor ihr zum Dienst geht, in den Spiegel“, rief er in einer seiner Videoansprachen ehemalige Dienstkollegen auf. „Und fragt euch: Seid ihr bereit, für diesen Staat zu sterben?“