Berlin. Die Bundesregierung hat ihre sicherheitspolitischen Ziele nach zehn Jahren neu formuliert. Hier die zentralen Punkte des neuen Kurses.

Bundeswehreinsätze bei Terroranschlägen, Öffnung der Truppe für EU-Ausländer, mehr Verantwortung in der Nato: Die Bundesregierung hat ihre Sicherheitspolitik neu formuliert. Das Kabinett beschloss am Mittwoch ein neues Weißbuch, das eine aktivere Rolle Deutschlands in der Welt vorsieht. „Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global“, heißt es in dem 83 Seiten starken Werk.

Zur Ausweitung von Bundeswehreinsätzen im Inneren soll das Grundgesetz zwar nicht geändert werden. Allerdings stellt das Weißbuch klar, dass die Bundesregierung den Einsatz von Soldaten bei „terroristischen Großlagen“ für verfassungskonform hält.

Kritik kommt vom Wehrbeauftragten

Doch es gibt auch schon Kritik. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, äußerte sich enttäuscht über das neue Weißbuch. Zwar sei es sicherheitspolitisch „absolut auf der Höhe der Zeit“, sagte Bartels unserer Redaktion. „Zu den aktuellen Bundeswehrstrukturen und den konkreten Ausrüstungsproblemen enthält es allerdings wenig.“

Zum Hintergrund: Im sogenannten Weißbuch definiert die Bundesregierung in unregelmäßigen Abständen ihre Sicherheitspolitik. Es werden deutsche Interessen formuliert, Bedrohungen identifiziert und die Mittel benannt, mit denen man auf diese Bedrohungen reagieren kann. Das neue Weißbuch berücksichtigt die Ukraine-Krise, die daraus resultierenden Spannungen mit Russland, den Vormarsch der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) und die wachsende Gefahr von Angriffen über das Internet. Es löst das Weißbuch von 2006 ab, mit dem die Regierung auf die veränderte Sicherheitslage nach den Anschläge vom 11. September 2001 in den USA reagierte. Seit 1969 wurden elf Weißbücher verfasst. Hier die Kernpunkte des neuen Weißbuchs.

Der Neun-Punkte-Plan der Bundesregierung

• Stärkung der Bundeswehr. Die Aufgaben der Truppe haben sich vergrößert, während Truppenstärke und Finanzmittel kontinuierlich gekürzt wurden. Das soll sich ändern: „Unser Gestaltungsanspruch, die zahlreichen Krisenherde in der europäischen Nachbarschaft und darüber hinaus, aber auch die gestiegenen Erwartungen an die außen- und sicherheitspolitische Rolle Deutschlands verlangen eine Trendwende.“ Die Bundeswehr soll sich für EU-Ausländer öffnen. Bisher dürfen nur deutsche Staatsbürger Soldaten werden. Der Bundeswehrverband, die größte Interessenvertretung der Soldaten, lehnt eine solche Öffnung allerdings ab.

• Einsatz im Innern. Das Grundgesetz wird nicht geändert, um Bundeswehreinsätze im Inneren auszuweiten. Die Verfassung wird im Weißbuch aber so interpretiert, dass Soldaten auch bei groß angelegten Terrorangriffen etwa zu Evakuierungs- oder Rettungseinsätzen ausrücken können. Dazu sollen Übungen mit Polizei und Katastrophenschützern organisiert werden.

• Nato. Der europäische Pfeiler in der Nato soll gestärkt werden. „Deutschland ist hier bereit, in Vorleistung zu treten und in einer erheblichen Breite als Rahmennation zu wirken.“

• Verteidigungsausgaben. Die Nato hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben. Die Bundesregierung fühlt sich diesem Ziel „im Rahmen seiner finanzpolitischen Rahmenbedingungen und Ressourcen“ verpflichtet. Dass es innerhalb der nächsten acht Jahren erreicht wird, gilt aber als unrealistisch: Derzeit gibt Deutschland nur 1,2 Prozent seines BIP für Verteidigung aus.

• Europa. Langfristig strebt Deutschland eine gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion an. Die Vision einer Europäischen Armee taucht im Weißbuch aber nicht auf.

• UN-Sicherheitsrat. Die Bundesregierung strebt weiter einen ständigen Sitz im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen an. Besonders optimistisch ist sie allerdings nicht. Alle Reformversuche sind bisher gescheitert. Im Weißbuch ist deswegen von einem Fernziel die Rede.

• UN-Missionen. Deutschland soll sich stärker in Friedensmissionen der Vereinten Nationen engagieren und auch dort Führungsverantwortung übernehmen. Ein erster Schritt war die Entsendung von 240 Soldaten in den gefährlichen Norden des westafrikanischen Staates Mali.

• Rüstungsexporte. Waffenlieferungen in Staaten außerhalb von EU und Nato werden gefördert, wenn dafür „besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen“ sprechen.

• Atomwaffen. Die Beteiligung an der nuklearen Abschreckung der Nato wird fortgesetzt. Das bedeutet, dass die auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eiffel stationierten US-Atomwaffen bis auf weiteres dort bleiben. Gleichzeitig bekennt sich die Bundesregierung aber zu dem Ziel, eine nuklearwaffenfreie Welt zu schaffen. (dpa)