Paris . Vor dem Treffen von Merkel und Frankreichs Präsident Hollande ist kein Plan B für Europa erkennbar: Die Meinungen gehen auseinander.

Jetzt ist europäische Führung gefragt, und sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande wissen, dass sie liefern müssten. Bei ihrem Krisentreffen in Berlin am Montag, an dem auch Italiens Regierungschef Matteo Renzi sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk teilnehmen, geht es nach dem Brexit-Schock um einen Plan B für Europa. Doch darüber, wie dieser aussehen soll, gehen die Meinungen in Berlin und Paris weit auseinander.

Merkel wie Hollande teilen zwar die Einschätzung, dass der Brexit nicht nur schmerzhaft, sondern potenziell gefährlich für die EU ist und dass das Vertrauen der Bürger Europas zurückgewonnen werden muss. Aber bei der Frage nach dem Umgang mit den abtrünnigen Briten setzen beide unterschiedliche Akzente. Während die Kanzlerin auf Besonnenheit pocht, will der französische Präsident die Aussteiger nicht nur „so schnell wie möglich“ aus der EU befördern, sondern sie „richtig bluten“ lassen, so einer seiner engsten Berater.

Hollandes Haltung dient als klare Ansage an Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National (FN), die den Brexit als einen „Sieg der Freiheit“ feierte und forderte, auch in Frankreich ein Referendum über den Austritt aus der EU zu organisieren.

EU-Gegner in Frankreich auf dem Vormarsch

Natürlich liegt der Pariser Regierung nichts ferner, als dieser Forderung nachzukommen. Bloß stehen in acht Monaten die Präsidentschaftswahlen an, und Le Pen hat gute Chancen, den Sprung in den Stichwahlgang zu schaffen. Auch weil 61 Prozent der Franzosen (die 2005 in einem Referendum die neue EU-Verfassung ablehnten) der EU skeptisch gegenüberstehen. Gerade weil die EU-Gegner in Frankreich wie in anderen Mitgliedsstaaten auf dem Vormarsch sind, will Hollande ein Exempel statuieren.

Um einen Dominoeffekt zu verhindern, drängt Paris zudem darauf, den Briten unverzüglich die Privilegien des gemeinsamen Marktes zu entziehen und ihnen bei den anstehenden Verhandlungen auf gar keinen Fall goldene Brücken zu bauen. Und damit ein Signal zu setzen: ein Ausstieg aus der EU kommt teuer.

Uneinigkeit über europäisches Konjunkturprogramm

Soviel zur Peitsche, doch um mehr Vertrauen in die Zukunft der EU zu schaffen, bedarf es auch des Zuckerbrots. Geht es nach den französischen Vorstellungen, soll es in Form von einer oder mehrerer deutsch-französischen Initiativen möglichst schon am Dienstag auf dem Brüsseler Gipfel vorgelegt werden. Drei der von Hollande angedachten Felder – bessere Sicherung der EU-Außengrenzen, verstärkte Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung, beschleunigte Harmonisierung der Steuergesetze – dürften bei Merkel auf offene Ohren stoßen.

Mit dem vierten jedoch, nämlich der Auflage eines Konjunkturprogramms, macht der Franzose ein Fass auf, das in der Vergangenheit schon für reichlich Ärger zwischen Paris und Berlin sorgte. Es ist mit seiner alten Forderung nach einem Ende der europäischen Sparpolitik verknüpft, die er in der Vergangenheit so gerne als „deutsches Spardiktat“ brandmarkte.