Berlin. Die Erbschaftssteuer-Reform wird zum größten Stolperstein im Koalitionsausschuss. Vor allem Wolfgang Schäubles Erfolg ist ungewiss.

Als die Koalitionsspitzen am Mittwoch um 20.30 Uhr im Kanzleramt vorfahren, stehen die Zeichen auf Konfrontation. Die Erbschaftssteuer erweist sich als Stolperstein. Für eine Reform hatte das Karlsruher Verfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist gesetzt: 30. Juni. Ungeachtet des Zeitdrucks hält die CSU ihre Kritik am Reformentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aufrecht. Sie will die Firmenerben stärker schonen, wenn diese investieren und Arbeitsplätze schaffen.

Eineinhalb Jahre hatten die Richter dem Gesetzgeber gelassen. Jetzt doch nicht liefern zu können, „wäre kein Ruhmesblatt“, klagte Schäuble vor Steuerberatern. Lässt die CSU ihn im Stich? Was passiert, wenn nichts passiert? Eine neue Klage, ein blauer Brief aus Karlsruhe? Der Minister ist genervt und auf die CSU ohnehin nicht gut zu sprechen – wegen des Streits der Unionsparteien. Der doch kein Streit sei. Dazu gehören zwei. „Es sind Attacken gegen Merkel.“ Nichts anderes.

Nullsummenspiel für Schäuble

Schäuble ist auch eine Schlüsselfigur beim nächsten Streitpunkt: Beim Teilhabegesetz. Es bringt Erleichterungen für Behinderte. Wenn sie in einer Werkstatt arbeiten, sollen sie einen größeren Teil ihres Lohns behalten dürfen. Er wird nicht auf Sozialhilfen angerechnet. Den Kommunen entstehen höhere Ausgaben. Im Gegenzug verlangen sie vom Bund einen Ausgleich. Schäuble will sie auf längst zugesagte sonstige Hilfen für die Länder anrechnen. Er verrechnet Dinge, die aus Sicht der Länder nichts miteinander zu tun haben. Im Klartext: Für ihn wäre es ein Nullsummenspiel. Ihnen aber stünden unterm Strich weniger Mittel zur Verfügung als bisher einkalkuliert. Also blockiert die CSU – für Bayern – das Vorhaben, wiewohl sie das eigentliche Vorhaben teilt: eine Besserstellung der Behinderten.

Völlig verkantet haben sich Bund und Länder, aber auch die Koalitionspartner bei der Frage der Steueranreize für den Wohnungsbau. Auch hier sitzt Schäuble aus CSU-Sicht im Bremserhäuschen. Nicht am Geld, sondern an bürokratischen Auflagen droht der nächste Punkt zu scheitern: die Pläne für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, das sogenannte Teilhabegesetz. Da streitet die CSU nicht mit Schäuble, sondern mit Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). Bisher liege kein beschlussreifer Entwurf vor, heißt es bei der CSU. Dass es dennoch einen Hoffnungsschimmer gibt, hat zwei Gründe: Erstens können die Volksparteien es sich nicht leisten, im Streit auseinander zu gehen. Zweitens stehen viele Projekte gleichzeitig an. Da bietet sich ein Kompromisspaket mit Gegengeschäften an. Alles hängt mit allem zusammen. Politik ist so.

Merkel und Seehofer halten an gemeinsamer Klausur fest

Schwer bleibt die Kompromissfindung dennoch. So viel Unversöhnlichkeit war schon lange nicht mehr. Im Hintergrund hält der Richtungsstreit der Unionsparteien an. Da mutet es schon wie ein Erfolg an, dass die Parteichefs Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) wenigstens an ihrer gemeinsamen Klausur am 24. und 25. Juni festhalten. Sie soll in der Nähe von Berlin stattfinden, nach unbestätigten Berichten in Potsdam. Das letzte Wort ist dazu allerdings noch nicht gesprochen.

Fest steht der Teilnehmerkreis: Die Parteichefs, ihre Stellvertreter und Generalsekretäre, die Ministerpräsidenten der Union, die Fraktionschefs und aus dem Kabinett jeweils ein Mitglied: Schäuble für die CDU und Verkehrsminister Alexander Dobrindt für die CSU. Über die Tagesordnung muss gesondert verhandelt werden – zwischen den Generalsekretären. Eine zähe Sache.

Gemeinsamer Nenner für das Wahljahr 2017 unwahrscheinlich

Dass die Schwesterparteien ihre Streitigkeiten beenden und schon in Potsdam auf einen gemeinsamen Nenner für das Wahljahr 2017 kommen werden, ist unwahrscheinlich. Der Prozess der Annäherung dürfte sich noch Monate hinziehen, heißt es in beiden Lagern. Obwohl er kein Parteiamt hat, rückt Schäuble auch hier in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Seehofer hat bei seinem Finanzminister Markus Söder (CSU) eine Steuerreform in Auftrag gegeben. Will Schäuble mithalten?

Söder hatte zuletzt der CDU-Kanzlerin vorgeworfen, die Achse der Union nach links verschoben zu haben. Das reizte Merkels Stellvertreter und Chef der NRW-CDU, Armin Laschet, zum Widerspruch. Er forderte eine Rückbesinnung auf die Sachebene. Persönliche Fragen sollten zurückstehen, „ob man Angela Merkel mag oder nicht oder in der Flüchtlingskrise vor einem halben Jahr andere Signale erwünscht hätte“.

Eine CSU-Antwort steht aus. Noch.