Berlin . Bundeskanzlerin Angela Merkel will die rechtspopulistische AfD nicht verteufeln, sondern sucht die inhaltliche Auseinandersetzung.

Schulbesuche sind für Bundeskanzlerin Angela Merkel meist entspannte Termine. Ein herzlicher Empfang ist ihr gewiss, so war es dann auch am Dienstag im Französischen Gymnasium in Berlin. Bei Merkels Ankunft standen die Schüler Spalier, sie sangen, klatschten und versuchten, Fotos mit dem Handy zu machen. Einige bekamen sogar das begehrte Selfie mit der Kanzlerin. Während der Diskussion in der Schulaula zum Thema Europa gab es dann aber vor allem ernste Töne.

Ein Selfie mit der Kanzlerin: Angela Merkel (CDU) am Dienstag im Französischen Gymnasium in Berlin.
Ein Selfie mit der Kanzlerin: Angela Merkel (CDU) am Dienstag im Französischen Gymnasium in Berlin. © dpa | Kay Nietfeld

Wie sie mit rechten Strömungen in Europa umgehen wolle, wurde Merkel von den Schülern gefragt, also etwa mit dem Front National in Frankreich. „Ich werde versuchen, meinen Beitrag zu leisten, dass andere politische Kräfte stärker werden“, antwortete die Kanzlerin. Auch in Deutschland gebe es „politische Kräfte, die schlecht über die EU sprechen“. Man müsse sich da nur die AfD anschauen. Später, vor Journalisten, präzisierte Merkel, wie sie die Alternative für Deutschland (AfD) in Schach halten will: Die Aufgabe bestehe vielmehr darin, „aus uns selbst heraus darzustellen, was wir wollen, welche Überzeugungen uns tragen“. Sie finde, „dass wir genug gute Argumente haben, uns mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, auch mit denen der AfD. Und zwar ohne jeden Schaum vor dem Mund und ohne Pauschalurteile.“

„Da wird wieder eine Mini-Mücke aufgeblasen“

Ob es eine neue Strategie der CDU im Umgang mit der AfD gebe, wurde Merkel gefragt. „Es gibt keinerlei neue Strategie“, lautete die Antwort.

Die „Bild“-Zeitung hatte am Dienstag von einem Kurswechsel Merkels im Umgang mit der AfD berichtet. Man solle sich mehr als bisher um konservative Wähler rechts von der Mitte bemühen, habe Merkel in der Sitzung des CDU-Präsidiums am Montag gesagt. Und: Es sei nicht sinnvoll, auf die AfD und ihre Wähler immer nur einzuprügeln. Das führe nur zu noch stärkerer Solidarisierung.

Sollte Merkel also tatsächlich eine Kehrtwende machen? „Merkel hat nur Bekanntes wiederholt“, sagte ein Teilnehmer der Sitzung unserer Redaktion. „Da wird wieder eine Mini-Mücke aufgeblasen.“ Allenfalls in einem Nebensatz habe Merkel angedeutet, dass man sich bemühen müsse, Wähler der AfD für die CDU zurückzugewinnen und nicht einfach aufzugeben, hieß es von anderer Seite über die Sitzung am Montag. Aber das sei eigentlich selbstverständlich. „Außerdem: Hat es jemals öffentliche Strategiewechsel der Kanzlerin gegeben?“ Nein, und selbst wenn, dann kamen sie schleichend daher wie in der Flüchtlingskrise. Und sie durften nicht so heißen.

Abwarten und Aussitzen hilft Union nicht weiter

Lange Zeit hatte die CDU-Spitze versucht, die AfD zu ignorieren. Das Problem sollte sich selbst erledigen. Der parteiinterne inhaltliche Streit und die Machtkämpfe würden die neue Partei schon zerlegen, dachte sich die Parteispitze. Spätestens der Erfolg der AfD bei den jüngsten Landtagswahlen aber hat der CDU gezeigt, dass das unwahrscheinlich ist. Merkel selbst hat sich die AfD bisher persönlich noch nicht vorgenommen, jedenfalls nicht explizit. Insofern hatte die Ansage am Dienstag in Berlin eine neue Qualität.

Vor zwei Wochen schon hatte es eine ausführliche Sitzung des CDU-Präsidiums zur AfD und zu den Ergebnissen der Landtagswahlen gegeben. Große Wortbeiträge Merkels wurden daraus nicht überliefert, aber eine selbstkritische Haltung, was die Handhabung der Flüchtlingskrise angeht. Und das Ziel, weniger Streit in den eigenen Reihen und mit der CSU zuzulassen. Klar vernommen wurde außerdem Merkels Botschaft, die politische Mitte nicht zu verlassen. Einen Rechtsruck der CDU wird es mit ihr nicht geben. CDU-Vizechefin Julia Klöckner, die in Rheinland-Pfalz selbst eine Verliererin der jüngsten Landtagswahlen war, fasste die Diskussion in der CDU-Spitze damals so zusammen: Man müsse verstärkt um Wähler der AfD werben, aber deshalb inhaltlich nicht weiter nach rechts rücken.

Merkel will keinen neuen Renten-Streit mit der CSU

Auch jetzt heißt es in der Parteispitze, man müsse „gute und konsequente Politik“ machen. Als Beispiel gilt etwa die Finanzpolitik der Union mit dem von Finanzminister Wolfgang Schäuble verteidigten ausgeglichenen Haushalt. Auch will Merkel die Diskussion um die Rente möglichst rasch beenden, jedenfalls keinen neuen Streit darüber mit der CSU anfangen. „Man darf die AfD nicht künstlich aufblasen“, hieß es am Dienstag. Eine klare Distanzierung sei dennoch nötig. Immerhin bietet die AfD nun mit ihrem am Wochenende verabschiedeten Grundsatzprogramm eine eindeutige Angriffsfläche.

Umstritten ist freilich nach wie vor, wie scharf und in welchem Tonfall die Union die AfD angreifen soll. Scharfe Worte wie die von Schäuble, der die AfD als „Schande für Deutschland“ und als „Rattenfänger“ bezeichnet hatte, finden nicht alle gut.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagte am Dienstag, Merkel habe am Montag deutlich gemacht, „dass es rein mit einer Verteufelung, Stigmatisierung und Ausgrenzung der AfD und ihrer Wählerschaft nicht getan ist. Man muss sich mit ihr politisch auseinandersetzen.“ Man müsse deutlich machen, dass die AfD eine rechtspopulistische Partei sei, die letztlich keine Lösungen biete.