Berlin. Horst Seehofer hat Post von der Kanzlerin bekommen. Obwohl er die Antwort gefordert hat, wird sie ihn nicht freuen, meint unser Autor.

„In der Politik geht es nicht darum, recht zu haben, sondern recht zu behalten“. Das wusste schon der alte Konrad Adenauer und getreu diesem Motto erlebt der Wähler in diesen Tagen wieder ein besonders absurdes Schauspiel aus dem Innenleben der großen Koalition.

Die Kanzlerin hat Horst Seehofer im Streit um ihren Flüchtlingskurs einen Brief geschrieben und ihn offenbar nach allen Regeln der Kunst abblitzen lassen, mit freundlicher Anrede: „Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Horst“.

Die kalte Abfuhr darf den bayerischen Ministerpräsidenten eigentlich nicht wundern, so wie er die Kanzlerin in ihrer tiefsten Krise seit Beginn ihrer Amtszeit behandelt hat.

Klageandrohung wirkte absurd

Es war schon ziemlich absurd von Seehofer, als Vorsitzender der Schwesterpartei und als Regierungspartner in der großen Koalition, der eigenen Kanzlerin und Chefin der anderen Schwesterpartei den Klageweg anzudrohen. Wenn eine Regierung so miteinander umgeht, ist sie eigentlich am Ende und der Abzug der eigenen CSU-Minister und das Aufkündigen der Fraktionsgemeinschaft wären die logischeren und konsequenteren Schritte gewesen.

Das hätte aber für die Bayern den Abschied von der Macht im Bund bedeutet und das ist ein Daseinszustand, den es in der Vorstellungswelt der CSU nicht gibt. Und das weiß auch die gewiefte Taktikerin Angela Merkel.

Die Kanzlerin hat schlau auf den Faktor Zeit gesetzt und mit objektiv gesunkenen Flüchtlingszahlen jetzt ziemlich gute Karten im Streit mit dem bayrischen Ministerpräsidenten. Horst Seehofers Schicksal ist es einmal mehr, dass er der vollmundigen Androhung einer Klage wieder keine Taten folgen lassen wird.

Den Schaden dürfte Seehofer haben

„Gut gebrüllt, bayrischer Löwe“ – aber die Inkonsequenz wird Seehofer schaden und seinem hartnäckigem Verfolger Markus Söder weiter Auftrieb geben.

Dass Seehofer jetzt verbreiten lässt, er habe den Brief der Kanzlerin noch gar nicht gelesen, ist lächerlich. Er wird den Brief verschlungen haben, aber ist – zu Recht – beleidigt, dass die Kanzlerin ihn drei Monate mit ihrer Antwort hat warten lassen. So erklärt sich auch Seehofers Satz: „Es ist nicht so, dass bei uns große Hektik ausbricht, wenn aus dem Kanzleramt ein Brief eingeht“. So spricht jemand, der betont cool bleiben muss. Aber so schnell schwingt das Pendel in der Politik manchmal zurück: Eigentlich sollte die Kanzlerin unter Druck gesetzt werden – jetzt ist Seehofer im eigenen Lager unter Druck. Wer zu oft die Lippen spitzt, aber nicht pfeift, verschleißt seinen Rückhalt in der Anhängerschaft – gerade in Bayern, wo ein „Mannsbild“ zeigen muss, wo der Hammer hängt. Das mussten schon ganz andere Alphatiere in der Politik erleben.

Im Sinne einer echten Problemlösung wäre es klug, den Streit endlich zu begraben und gemeinsam alles zu tun, damit die vereinbarten Lösungen mit den Staaten der Europäischen Union und den Türken tragen.

Der Wähler fragt sich: War da was?

Zu wackelig ist diese ganze Konstruktion mit dem Flüchtlingsaustausch noch, um sie mit innerkoalitionären Scharmützeln weiter zu belasten. Scheitert aber Angela Merkels Konzept der europäischen Lösung unter Einbindung der Türkei, kann Seehofers Stunde als Problemlöser ja noch kommen. Da darf man dann auf Ideen gespannt sein.

Eine Verfassungsklage gegen die eigene Regierung, soviel steht jetzt schon fest, wäre dabei ein eher hilfloser Akt denn eine sinnvolle Maßnahme, um einen erneuten Ansturm von Flüchtlingen zu bewältigen. Und die Vorstellung, dass bayerische Grenzbeamte (die es gar nicht mehr gibt), handstreichartig die bisherige Grenzsicherung durch die Bundespolizei übernehmen, fällt sogar nach drei Maß Starkbier schwer.

Wahrscheinlich wird Seehofer am Ende grantelnd beidrehen und die Kanzlerin wird ihren einsamen Kampf weiterkämpfen. Und der Wähler fragt sich: War da was?