Paris. Ein neues Gesetz soll in Frankreich Zuhälterei und Menschenhandel indirekt das Wasser abgegraben. Die Prostituierten empören sich.

Von der tristen Realität des horizontalen Gewerbes war der berühmte Film „Irma la Douce“, mit dem Billy Wilder und seine Hauptdarstellerin Shirley MacLaine den Pariser Freudenmädchen 1963 ein Denkmal setzten, stets meilenweit entfernt. Doch in einem Punkt entspricht er einer bis heute unveränderten Wirklichkeit: Wie die meisten Prostituierten Frankreichs geht auch Irma auf den Straßenstrich. Schon 1946 nämlich sind in Deutschlands Nachbarland die Bordelle verboten worden.

Höchstwahrscheinlich hingen die Gesetzgeber damals dem Irrglauben an, mit den Freudenhäusern auch die Prostitution abschaffen zu können. Doch am Mittwoch unternahm die Nationalversammlung einen erneuten Versuch, der käuflichen Liebe das Wasser abzugraben. Sie verabschiedete ein Gesetzt, dass die Kundschaft der Prostituierten vergraulen soll. Jedem ertappten Freier droht künftig eine Geldbuße von 1500 Euro.

Freiern drohen Strafen und „Sensibilisierungslehrgänge“

Wiederholungstätern winken sogar 3750 Euro und ein Gerichtsverfahren, bei dem der Richter sie zusätzlich zu einem „Sensibilisierungslehrgang“ verdonnern kann. Gemäß den Vorstellungen der Regierung handelt es sich dabei um eine Art Entziehungskurs für unverbesserliche Anhänger der käuflichen Liebe. Wobei das Gesetz sich keineswegs damit begnügt, Freier zu Süchtigen zu stempeln. Jede Verurteilung wegen des „Kaufs einer sexuellen Handlung“ wird offiziell als Vorstrafe verbucht. Mit anderen Worten: Paris kriminalisiert die Freier, obwohl die Prostitution legal bleibt und Sex-Arbeiter der Einkommenssteuer unterliegen.

Nicht nur wegen solcher Ungereimtheiten dauerte das parlamentarische Tauziehen um den bereits 2013 vorgelegten Gesetzesentwurf satte 28 Monate. Zwar fand die im Text betonte Absicht, Zuhälterei und Menschenhandel einen Riegel vorzuschieben (in Frankreich stammen 90 Prozent der etwa 30.000 Prostituierten aus dem Ausland), von Beginn an große Zustimmung. Für hitzige Debatten sorgte jedoch die Überzeugung der mittlerweile ins Bildungsressort gewechselten Frauenrechtsministerin Najat Vallaud-Belkacem, dass Sexarbeiter ausnahmslos Opfer seien, die durch das Gesetz geschützt würden.

Vor allem aber waren es die Hauptbetroffenen, die bis zuletzt Sturm gegen die Gesetzesvorlage liefen. Als „scheinheilig und gefährlich“ bezeichnet die Gewerkschaft der Prostituierten „Strass“ den Text. Scheinheilig, weil er „unser Gewerbe de facto in die Illegalität drängt“, und gefährlich, weil er Prostituierte von der Straße in die „dunkelsten Ecken des Landes“ scheuche, wo sie gewalttätigen Kunden, Zuhältern oder korrupten Polizisten stärker ausgeliefert seien als bisher.

Prominente unterstützen Petition gegen neues Gesetz

Im Namen des Volkes handelte die Regierung jedenfalls nicht. In letzten Umfragen sprachen sich 68 Prozent der Franzosen gegen das Gesetz aus. Während feministische Vereinigungen ärgert, dass die Prostitution nicht schlichtweg verboten wird, erregt die Gegenseite, dass sich der Staat als Sittenwächter aufspielt. Gleich mehrere Petitionen mit sprechenden Namen wie „Hände weg von meiner Hure“ stemmten sich gegen die „Verbotskultur der Tugendwächter“. Unerwartet Unterstützung erhielten die Unterzeichner von zahlreichen Prominenten wie der Schauspielerin Catherine Deneuve oder dem Sänger Charles Aznavour.

Zu den pikanten Details des Gesetzes zählt übrigens, dass es das erst 2003 erlassene Verbot des „passiven Kundenfangs“ wieder abschafft. In der Theorie dürfen Prostituierte nun also erneut in ultrakurzen Röcken und mit tiefem Dekolleté auf der Straße um Freier werben, die sich ihrerseits strafbar machen, wenn sie der Verlockung nachgeben. „Vollkommen absurd“ sei das, schimpft Elisabeth Badinter. In den Augen der renommierten Philosophin und überzeugten Feministin ist das Gesetz zudem ein böser Rückschlag für das hart erkämpfte Recht der Frauen, frei über ihren Körper verfügen zu können.