Köln. Neue Vorwürfe kratzen an NRW-Innenminister Jägers Glaubwürdigkeit. Angeblich wollte sein Ministerium die Kölner Übergriffe vertuschen.

Neue brisante Vorwürfe im Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln: Das nordrhein-westfälische Innenministerium soll einem Bericht der Boulevardzeitung „Express“ zufolge versucht haben, die massenhaften sexuellen Angriffe auf Frauen zu vertuschen oder zumindest zu verharmlosen. Ein Beamter aus dem Ministerium habe demnach telefonisch darum gebeten, den Polizeibericht zu stornieren oder umzuformulieren.

Nachdem er den brisanten Polizeibericht erhalten hatte, soll ein Beamter der Landesleitstelle – Teil des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) – am Neujahrstag in der Kölner Polizeiwache angerufen haben. In dem Telefonat habe er den „Wunsch aus dem Ministerium“ übermittelt, die sogenannte „WE-Meldung“ zurückzuziehen oder das Wort „Vergewaltigung“ daraus zu streichen. „WE“ steht dabei für „Wichtiges Ereignis“.

Innenministerium weist Vorwürfe entschieden zurück

Wie es in dem Zeitungsbericht weiter heißt, habe sich der Dienstgruppenleiter geweigert, die Änderungen vorzunehmen. Das schreibt die Zeitung unter Berufung auf einen Polizeibeamten, auf interne Polizeivermerke und E-Mails. Zudem habe die Vize-Chefin der Kölner Kripo, Heidemarie Wiehler, einem ranghohen Ministerialbeamten von dem Manipulationsversuch berichtet. In einer Sitzung des Innenausschuss des Landtags hatte NRW-Innenminister Ralf Jäger den Vorfall später jedoch nicht erwähnt und gefordert, es dürfe „keine Tabus bei unbequemen Fragen oder politisch brisanten Antworten“ geben.

Das NRW-Innenministerium wies die Vorwürfe am Mittwoch entschieden zurück. Das Ministerium habe „am 1. Januar 2016 keinen Auftrag zur Stornierung der WE-Meldung des Polizeipräsidiums Köln zu den Ereignissen der Silvesternacht gegeben“, hieß es in einer Stellungnahme. Auf Formulierungen der „Wichtige-Ereignis-Meldung“ sei ebenfalls kein Einfluss genommen worden. Es habe nach Ministeriums-Erkenntnissen zudem keine Telefonate der Landesleitstelle des LZPD mit der Kriminalwache des Kölner Polizeipräsidiums gegeben und auch keine Telefongespräche in dieser Angelegenheit zwischen der LZPD-Landesleitstelle und dem Dienstgruppenleiter des Lagezentrums der Landesregierung.

Lagedienst des Landeskriminalamts telefonierte mit Polizeiwache Köln

Allerdings: Dem Innenministerium zufolge hat es sehr wohl Telefonate gegeben, und zwar zwischen dem Lagezentrum des Innenministeriums und dem Landeskriminalamt (LKA) sowie zwischen LKA und der Kölner Polizeiwache. In diesen Gesprächen sei es unter anderem um die „deliktische Einordnung der Straftatbestände“ gegangen. Darüber hinaus entspräche es „der üblichen Verfahrensweise“, dass die jeweiligen Dienstgruppenleiter „solche Abstimmungsgespräche eingenverantwortlich“ und ohne Information an Vorgesetzte im MIK führen.

Die CDU-Obfrau im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Silvester, Ina Scharrenbach, kritisierte als Reaktion auf den „Express“-Bericht, der „letzte Rest an Glaubwürdigkeit“ von Innenminister Ralf Jäger (SPD) sei zerstört. Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) solle „die notwendigen Konsequenzen ziehen.“ In der Silvesternacht war es zu massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof gekommen, trotz Anwesenheit der Polizei. Die Taten sollen überwiegend von Männern nordafrikanischer Herkunft begangen worden sein. (dpa/jkali)