Berlin. Mit praktischen Tipps will der IS Kämpfer in Europa vor der Polizei schützen. Dokumente im Netz verraten Strategien der Terroristen.

Grüne Kontaktlinsen sollen die Geheimdienste täuschen. „Verändere dein Aussehen“, raten die Autoren. „Wenn du grüne Kontaktlinsen trägst, aber deine Ethnie normalerweise keine grünen Augen hat, dann werden dich Zeugen falsch bei der Polizei beschreiben.“ Es gebe zudem spezielle Computerprogramme, mit denen man die eigene Stimme am Telefon verändern könne. Und: „Wenn du ein Muslim bist und keinen Bart hast, lass’ dir auch keinen Bart wachsen. Denn das bringt dir ungewollte Aufmerksamkeit.“ So steht es in Kapitel eins der Islamisten-Propaganda „How To Survive In The West“ – wie man im Westen „überlebt“ – ein selbsterklärtes „Handbuch für Mudschahedin“, das Islamisten im Internet veröffentlicht haben.

Die Terroristen des „Islamischen Staates“ waren erfolgreich, auch in Europa, im Westen. Paris und Brüssel sind Orte, die nun Symbole sind für die Kriminalität der selbsternannten „Mudschahedin“. Bei den Selbstmordattentaten am Brüsseler Hauptflughafen und in einer Metro waren am Dienstag vergangener Woche mindestens 35 Menschen getötet worden. Noch immer sucht die belgische Polizei nach einem mutmaßlichen dritten Flughafen-Attentäter, dessen Sprengsatz offenbar nicht gezündet hatte und der entkommen war. Auf dem Bild einer Überwachungskamera ist er mit Hut und heller Jacke zu sehen.

Lernen, in westlichen Ländern unterzutauchen

Nicht erst seit den Anschlägen von Brüssel steht die Dschihadisten-Szene in Europa unter Druck – Razzien, Beschattung, Festnahmen. Die Islamisten versuchen, ihre Anhänger zu trainieren, durch Propaganda wie das „Handbuch“. Sie sollen lernen, in westlichen Ländern wie Frankreich oder Deutschland unterzutauchen, unauffällig zu bleiben – und dann zuzuschlagen.

„Werde zum Albtraum der Geheimdienste“, titelt das Dschihadisten-Magazin „Kybernetiq“. Es ist im Dezember online veröffentlicht worden und gibt Islamisten Ratschläge, wie sie sicher im Internet chatten oder Informationen austauschen können – ohne von den Geheimdiensten überwacht zu werden. Auch wenn die Autoren sich an „Muslime“ richten – ihr Ziel ist klar: der Islamist. Auf dem Titel hält ein Kämpfer einen USB-Stick und die Patrone eines Maschinengewehrs.

Haushaltsgeräte für den Terror

Es sind simple Tipps wie dieser: Verwende beim Surfen im Netz keine „arabischen Kampfnamen“. Denn: „Ein Benutzer mit dem Nickname SexyBunny94, der verschlüsselt Nachrichten mit AbuUsamah007 austauscht, ist sehr verdächtig.“ Aber auch komplexere Anleitungen werden in den „Handbüchern“ gegeben: etwa für die Installation von Verschlüsselungsprogrammen oder wie man Festplatten vor dem Zugriff von Hackern des Staates schützt. Sie erklären Wege, um im Untergrund an Geld zu gelangen, etwa durch Betrug im Internet. Das Onlinepamphlet „Hijrah to the Islamic State“ beschreibt, mit welchen Tricks ein Islamist aus Europa zum IS reisen kann – ohne möglichst von der Polizei festgenommen zu werden. Sogar das Basteln einer Nagelbombe erklärt ein „Handbuch“, mit Hilfe einer Mikrowelle oder eines Hochdruckkochers. Haushaltsgeräte für den Terror.

Propaganda im Internet gehört zur Strategie des „globalen Dschihad“. Die Dokumente sind leicht zugänglich: Über Twitter oder in Chaträumen der Szene werden sie verlinkt und verteilt. Wer dahintersteckt, bleibt oft unklar. Oft sind sie auf Englisch, sodass sie von Islamisten in möglichst vielen Ländern gelesen werden können. Viele Passagen klingen wie ein Agentenroman. Die Schriften richten sich vor allem an die Extremisten, die nicht in Terrorcamps im Training waren: an „einsame Wölfe“, die sich selbst zu Hause vor dem Computer durch die IS-Propaganda radikalisieren. Für die Sicherheitsbehörden sind die nur schwer ausfindig zu machen.