Berlin. An der Balkanroute werden neue Zäune gegen den Flüchtlingsstrom errichtet. Aber hilft das? Die wichtigsten Aspekte hier im Überblick.

Hunderttausende Menschen sind seit dem Sommer über die Balkanroute nach Europa geflohen. Bevorzugtes Ziel: Deutschland. An den Außengrenzen der EU, vor allem in Griechenland, ist die Lage zeitweise chaotisch. Flüchtlinge werden einfach durchgewunken. Nun gibt es Überlegungen, den Schutz der Grenzen auf der Balkanroute weiter nach Norden zu verlagern.

Mazedonien, ein Nicht-EU-Staat, schickt sich an, die Grenze zu Griechenland abzuriegeln. Osteuropäische EU-Staaten wollen dabei helfen. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen zu einer Entwicklung, die Europa verändern kann.

Wird die Balkanroute jetzt für Flüchtlinge dicht gemacht?

Hierüber gibt es keinen Beschluss der EU. Aber die Vorbereitungen laufen. So helfen mittel- und osteuropäische Staaten sowie Österreich der mazedonischen Regierung bei der Abriegelung der Grenze zu Griechenland. Dafür hat sich auch der gestrige Gipfel der Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei ausgesprochen.

Praktisch wird die EU-Außengrenze zwischen Griechenland und der Türkei nach hinten verlegt – und zwar durch bilaterale Aktionen. Allein Ungarn hat bis Anfang Februar 31 Grenzsoldaten nach Mazedonien und 52 nach Slowenien entsandt. Darüber hinaus lieferte die Regierung 25 Kilometer Zaun, Fingerabdruckgeräte, Computer und digitale Fotoapparate nach Mazedonien. Auch die anderen Visegrad-Staaten greifen der mazedonischen Regierung unter die Arme. Zudem haben die EU-Staaten Slowenien und Kroatien schon länger Polizisten zur Verstärkung in das Nicht-EU-Land geschickt.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz bot der Regierung in Skopje an, bei der Grenzsicherung mit Polizisten und Technik zur Seite zu stehen. Eventuell sei Wien auch bereit, Soldaten zu entsenden, „wenn diese gebraucht werden sollten“. Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil fügte hinzu: „Auf eine EU-Lösung können wir nicht warten. Wir müssen sowohl national als auch auf der Balkanroute Grenzsicherungsmaßnahmen setzen.“ Eine sichere Grenze in Mazedonien entlaste auch Österreich.

Funktioniert die Kontrolle der griechischen Außengrenze wirklich so schlecht?

Die mittel- und osteuropäischen Regierungen sagen: Sie funktioniert gar nicht. Derzeit kommen trotz des kalten Winterwetters jeden Tag im Schnitt rund 2000 Flüchtlinge über die Türkei nach Griechenland. Die Regierung in Athen verfüge über eine große Marine, die sie aber nur unzureichend zum Schutz der Außengrenzen einsetze, lautet der Vorwurf der Visegrad-Staaten.

Sie plädieren dafür, dass die Grenze zwischen dem EU-Land Bulgarien und Griechenland ebenfalls hochgezogen wird. Den Anfang dieser Politik hatte der ungarische Regierungschef Viktor Orbán gemacht: Im vergangenen Sommer ließ er einen rund 130 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Serbien hochziehen.

Droht Griechenland der Flüchtlingskollaps?

Wenn die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien völlig dicht gemacht wird, kommt es zu einem riesigen Rückstau an Flüchtlingen. Die Regierung in Athen würde dann mit dem Migrantenproblem alleingelassen. Schon bisher war das südöstliche EU-Land mit der Aufnahme und Versorgung der Schutzsuchenden völlig überfordert. Die geplanten fünf Registrierzentren für Flüchtlinge – sogenannte Hotspots – sollten bereits Ende des vergangenen Jahres fertiggestellt sein. Mittlerweile sind gerade mal zwei Anlagen einsatzbereit.

Sollten die Grenzen zu Mazedonien und Bulgarien nicht mehr passierbar sein, droht Griechenland eine Flüchtlingskatastrophe. Das Land hat weder die Versorgungseinrichtungen noch die finanziellen Mittel, um den Ansturm der Notleidenden zu bewältigen. Auf der Insel Kos gab es am Sonntag erneut gewaltsame Proteste gegen den Aufbau eines Registrierzentrums.

Auch ohne die Flüchtlingskrise hat Griechenland derzeit eine Menge wirtschaftlicher und sozialer Probleme zu stemmen. Das Land muss harsche Reformvorgaben der internationalen Gläubiger erfüllen.

Welche Ausweichrouten können die Flüchtlinge nutzen?

Macht Mazedonien dicht, bleiben mehrere Ausweichmöglichkeiten. Die Menschen können versuchen, über Albanien weiter nach Westeuropa zu wandern; von dort weiter über Montenegro oder über die Adria nach Italien. Eine weitere Alternative wäre Bulgarien, das sowohl zu Griechenland als auch zur Türkei Grenzen hat. Der Weg nach Europa ist lang und beschwerlich. Hinzu kommt, dass die Bulgaren ihre Grenzen gut absichern.

In der Vergangenheit sind Flüchtlinge bei der Überquerung des Grenzflusses Evros gestorben, sei es wegen der Strömung, sei es aufgrund von Minen am Ufer. Entlang der Landgrenze ziehen die Bulgaren alle Register: Zaun, Wärmekameras, Erdbebensensoren, die jede Bodenerschütterung registrieren. Wer Geld hat, kann auch von der Türkei nach Libyen fliegen und von dort über das Mittelmeer nach Italien fliehen.

Was bedeutet die Entwicklung für Deutschland?

Wenn die Balkanroute abgeriegelt wird, dürfte die Zahl der Flüchtlinge spürbar zurückgehen – für Merkel eine politisch relevante Messlatte. Und damit: ein Erfolg. Das Sankt-Florians-Prinzip geht ihr aber politisch gegen den Strich. Im CDU-Vorstand hat sie am Montag vor einem isolierten Vorgehen ohne und gegen Griechenland gewarnt, weil sich dann dort ein Rückstau bilden würde.

Wenn man sich den Ablauf der Flüchtlingsströme als einen langen Schlauch vorstellt, dann möchte die Kanzlerin zurück zum Wasserhahn. Das heißt: Bekämpfung der Fluchtursachen sowie vor allem eine engere Zusammenarbeit der Küstenwache von Griechenland und der Türkei.