Brüssel. Künftig sollen Emissionen von Dieselautos auf der Straße und nicht im Labor getestet werden. Schon 2017 soll es neue Richtlinien geben.

Nach langem Streit gibt es in der EU einen neuen Rahmen für realistischere Abgastests für Dieselfahrzeuge: Ab 2017 sollen die Emissionen im Straßenverkehr und nicht im Labor getestet werden. Allerdings sollen jahrelang noch großzügige Abweichungen von Grenzwerten erlaubt sein.

Unmittelbar vor der mit Spannung erwarteten Abstimmung hatte sich die Brüsseler Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska noch einmal ins Zeug gelegt. „In Zukunft wird es keine weiteren Fälle wie Volkswagen geben!“, versicherte die Polin. Sie sorge für die zügige Einführung realistischer Messungen des Schadstoffausstoßes und für niedrigere Werte. Wenig später war die Sache in ihrem Sinne gelaufen.

Grüne sehen Sieg der Autolobby, CDU lobt Sieg der Vernunft

Bei der Abstimmung wurde die erforderliche absolute Mehrheit von 376 Stimmen gegen den Entwurf verfehlt. Nur 317 Parlamentarier entschieden sich für eine Ablehnung, hauptsächlich Sozialdemokraten und Grüne. 323 Abgeordnete stimmten hingegen dafür.

Sozialdemokraten und Grüne lehnten die Vorlage als zu schwach und gesundheitsschädlich ab. Die Christdemokraten plädierten indes dafür, weil der Vorschlag bereits einen deutlichen Fortschritt gegenüber der aktuellen Lage bedeute.

Erlaubt sind nach der Euro-6-Abgasnorm, die seit fast zehn Jahren gilt, nur 80 Milligramm Stickoxid (NOx) pro Kilometer. Die Schadstoffe stehen auch im Zentrum des Volkswagen-Skandals um manipulierte Abgaswerte. Diesen Wert sollen neu entwickelte Fahrzeugtypen in einem ersten Schritt zwischen September 2017 und Januar 2020 noch um mehr als das Doppelte überschreiten dürfen.

Lange Übergangsfristen für die Umsetzung der Regelung

Ab 2020 soll eine Überschreitung hier dann noch um die Hälfte toleriert werden. Generell beginnt für neue Autos die Übergangsfrist für eine Überschreitung der Grenzwerte um mehr als das Doppelte im September 2019 und dauert bis Januar 2021. Danach soll eine Überschreitung noch um die Hälfte erlaubt sein. Kritiker betonen, dies komme der Automobilindustrie zugute.

Während die Grünen das Abstimmungsergebnis als Sieg der Autolobby geißelten, sprachen Christdemokraten von einem „Sieg der Vernunft“. Die neuen und durchaus anspruchsvollen Werte könnten Städten und Gemeinden bei der Luftreinhaltung helfen, sagte der CDU-Parlamentarier Herbert Reul.

Die Grünen-Vorsitzende Rebecca Harms kritisierte den Expertenbeschluss, der es erlaube, „die eigentlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Stickoxid noch jahrelang um ein Vielfaches zu überschreiten“. Die Mehrheit habe sich „von der Autolobby einlullen lassen“, sagte Harms. „Die Interessen der Automobilindustrie scheinen letztendlich mehr zu wiegen als die Gesundheit der Menschen.“

Autoindustrie erwartet mehr Klarheit und Zuverlässigkeit

Der Vorsitzende des Umweltausschusses, der christdemokratische Italiener Giovanni Da Via, verteidigte hingegen das Ergebnis der Abstimmung. „Es ist demokratisch, es ist ein Faktum, und es ist ein gültiges Resultat, das uns hilft, voranzukommen.“

Die realistischere Prüfung des tatsächlichen Schadstoffausstoßes unter echten Fahrbedingungen werde die Luftverschmutzung durch Dieselfahrzeuge verringern, sagte eine Sprecherin von EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska. Positiv äußerte sich auch die deutsche Industrie. Für den Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, bringen Abgasmessungen im Straßenverkehr den Kunden mehr Klarheit und Zuverlässigkeit. „Die deutsche Automobilindustrie ist daran interessiert, so schnell wie möglich realistischere Angaben zu Verbrauch und Emissionen ihrer Modelle anbieten zu können“, sagte Wissmann.

Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), sagte: „Dieses Prüfverfahren kann die EU nun wie geplant bereits ab 2017 für alle neuen Modelle einführen und damit spürbar die Luftqualität verbessern.“