Berlin. Der Kommunikationsdesigner Gregor Weichbrodt hat das Grundgesetz neu geschrieben. Vielen Anhängern von Pegida dürfte das gefallen.

Wenn rechtsextreme Hetzer das Grundgesetz neu schreiben könnten, sähe es wohl nicht nur inhaltlich anders aus, sondern würde sich vermutlich auch einer etwas anderen Rechtschreibung bedienen. Der Kommunikationsdesigner Gregor Weichbrodt hat sich für ein Literaturprojekt die Frage gestellt, wie die Verfassung der Bundesrepublik aussehen würde, wenn sie die Anhänger der islamfeindlichen „Patriotischen Europäer gegen eine Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) oder der Reichsbürger-Bewegung gestaltet hätten. Der Artikel 1 würde dann lauten: „DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR!!!! SIE ZU ACHTEN UND ZU SCHÜTZEN IST FERPFLICHTUN ALLER STAATLICHE GEWALLT!!!!“

Weichbrodt hat für seine Version des „Gruntgesetses“, das als PDF herunterzuladen oder als Buch zu bestellen ist, die prägnantesten Rechtschreib- und Formfehler von rechten Kommentatoren in sozialen Netzwerken herausgesucht. Dabei hat Weichbrodt auf die Ergebnisse eines früheren Projektes zurückgegriffen: Im vergangenen Jahr hatte er gemeinsam mit dem Literaturwissenschaftler Hannes Bajohr aus Facebook-Kommentaren von Pegida-Anhänger den Korpus „Glaube, Liebe, Hoffnung“ erstellt. Insgesamt 282.596 Kommentare hatten die beiden den göttlichen Tugenden zugeordnet, wie sie in der Bibel im Brief des Paulus an die Korinther erwähnt werden.

„Keine Benachteilikung wegen der Appstammun“

Die Fehler, die sich in diesen über 280.000 Kommentaren fanden, haben nun auch den Weg in die neue Version des Grundgesetzes gefunden. Der Wahl-Berliner Gregor Weichbrodt hat die Fehler in ein Computer-Script eingepflegt und dieses über den Text des originalen Grundgesetzes laufen lassen. Besonders häufig werden nun etwa Ausrufe- und andere Satzzeichen an den falschen Stellen gesetzt – oder aber auch gleich ignoriert. Konsonanten an den Wortenden werden auch gerne ausgespart wie etwa in diesem abgewandelten Satz aus Artikel 3 des Grundgesetzes: “NIEMANT DARF WEGEN SEINES GESCHLECHTES, SEINER APPSTAMMUN [...] BENACHTEILIKT ODER BEFORZUKT WERDE!!!NIEMANT DARF WEGEN SEINER BEHINDERUN BENACHTEILIKTWERDE.....“

Kurz nach der Veröffentlichung des „Grundgesetses“ hat der Kommunikationsdesigner Kritik in sozialen Netzwerken erhalten. Auf Facebook warf ihm ein Kommentator vor, dass sich die einzelnen Fehler zu oft wiederholen würden. Aber Weichbrodt ist der Meinung, dass auch Hass-Kommentatoren wohl bestimmte Fehler immer wieder machen würden.

Projekt dient nicht dazu, sich lustig zu machen

Wodurch die Fehler – etwa zahlreicher Kommentatoren auf der Pegida-Facebook-Seite – stammen, verrät das Literaturprojekt nicht, „da Schreibfehler am Ende jeder macht und es auch gar nicht vordergründig darum gehen soll, sich über Leute mit Schreibschwächen lustig zu machen“, wie Gregor Weichbrodt sagt. Doch sei seinem Eindruck nach eine gewisse Systematik zu erkennen. Weichbrodt sagt: „Ich bin zwar kein Experte für rechtsnationales Wutsprech im Internet, aber nachdem ich diese Art von Texten eine Weile vor mit hatte, erscheint mir die Syntax fast einzigartig, so als hätte die Gruppierung ihren eigenen Schreibstil gefunden.“

Zwischen dem aktuellen und dem vergangenen Literaturprojekt des Kommunikationsdesigners gibt es nicht nur die Parallele in der Rechtschreibung, sondern auch inhaltliche Parallelen. So haben sich Anhänger von Pegida in sozialen Netzwerken immer wieder auf das Grundgesetz der Bundesrepublik berufen. Besonders häufig wurde Artikel 5 zur freien Meinungsäußerung zitiert. Ein Nutzer schrieb auf der Pegida-Seite bei Facebook: „Ich denke wenn sie Pegida verbieten bricht der Sturm los, da Meinungsfreiheit ein Grundrecht ist.“

Hass-Kommentatoren arbeiten sich am Grundgesetz ab

Aber auch Kritik an der rechtlichen Grundordnung des Staates wird im Netz geäußert: „Es gibt nur eine Sache die man mit dem von den Alliierten verordneten (Militär) Grundgesetz f ü r die BRD machen sollte: konsequente Umsetzung des Artikel 146, damit Abschaffung des Besatzungsgrundgesetzes indem die dort enthaltene und immer noch gültige Weimarer Verfassung von 1919 wieder angenommen wird“, wie ein Pegida-Anhänger schreibt. Er greift damit ein Argument der sogenannten Reichsbürger-Bewegung auf, die die Bundesrepublik nicht als souveränen Staat anerkennt.

Auch in diesem Zitat finden sich Interpunktions- und Rechtschreibfehler. Doch scheinen diese – wie auch viele andere – zum einen der Emotion des Kommentatoren wie auch der Flüchtigkeit geschuldet zu sein. Denn in Diskussionen in sozialen Netzwerken kommt es eben auch auf Schnelligkeit an.