Berlin. Alles gut 2015? Nicht unbedingt. Eine gestrauchelte Kanzlerin, ein überschwemmtes Regierungsgebäude und allerlei Missgeschicke.

Politik wirkt oft wie ein perfekt durchorganisierter Betrieb. Doch nicht alles lief im zu Ende gehenden Jahr in Berlin und andernorts glatt. Es gab jede Menge Pleiten, Pech und Pannen.

Sorge um Merkel bei „Tristan und Isolde“

Schrecksekunde auf dem Grünen Hügel in Bayreuth: In einer Pause der Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ fand sich Kanzlerin und Wagner-Liebhaberin Angela Merkel plötzlich auf dem Boden wieder. Sie sei in Ohnmacht gefallen und vom Stuhl gerutscht, glaubte ein Boulevardblatt zu wissen. Doch Vize-Regierungssprecher Georg Streiter stellte rasch klar: „Der Stuhl ist zusammengebrochen. Die Kanzlerin war keine Sekunde ohnmächtig.“ Auch für Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) war Bayreuth ein schwieriges Pflaster. Er musste für seinen eigenen Staatsempfang absagen. „Es ging ihm nicht so gut“, erklärte eine Sprecherin. Bei Seehofer war es im Gegensatz zu Merkel ein Schwächeanfall.

Hackerangriff auf den Bundestag – Parlament geht offline

Ein direkter Angriff auf den Deutschen Bundestag? Früher war das unvorstellbar. Doch im Internet-Zeitalter ist alles möglich. Diese schmerzhafte Erfahrung musste das Parlament im Mai bei einer schweren Cyber-Attacke machen, als plötzlich eine Schadsoftware im Bundestagsnetzwerk aktiv wurde und Daten absaugte. Dem Parlament blieb nichts anderes übrig, als in der Sommerpause für mehrere Tage offline zu gehen. Alle Systeme wurden heruntergefahren und komplett überarbeitet, um sie sicherer zu machen. Wer hinter dem Cyber-Angriff steckte, ist bis heute nicht geklärt.

Unbekannte fluten BND-Zentrale

Die neue BND-Zentrale in Berlin-Mitte gilt als das größte Bauvorhaben des Bundes seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch es steht unter keinem guten Stern. 2013 sollte es bezugsfertig sein, unter anderem wegen Pfusch am Bau verzögerte sich der Termin mehrfach. Die Kosten explodierten – von einst geplanten 730 Millionen Euro auf nun geschätzte 1,3 Milliarden. Und dann noch das: Auf der bestbewachten Baustelle Berlins montierten in einer März-Nacht Unbekannte fünf Wasserhähne ab und fluteten so weite Teile des Hauptgebäudes. Experten gehen von Sabotage aus. Die Folgen: Der Bau wird nochmals rund eine Million Euro teurer, der Umzug von Pullach nach Berlin verzögert sich um einen weiteren Monat. Aber kommt es darauf noch an?

Diebe klauen im nagelneuen Bundesinnenministerium

Ausgerechnet im Bundesinnenministerium, das für die Sicherheit im Land zuständig ist, schlugen Ende April Diebe zu. Kurz vor oder während des Einzugs klauten sie Computer und Büromaterial. Die Diebe hätten aus manchen Büros „alles rund um den Schreibtisch“ mitgenommen, so eine Polizeisprecherin. Schon auf der Baustelle des gleich neben dem Berliner Hauptbahnhof gelegenen Gebäudes waren Maschinen, Buntmetall, Werkzeuge und anderes verschwunden.

Regierungsmitglieder müssen am Boden bleiben

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, sang einst Reinhard Mey. Über die Wolken wäre auch manches Regierungsmitglied gern gekommen – musste aber am Boden bleiben, weil wieder mal eine Regierungsmaschine streikte. Besonders hart traf es Anfang November Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der eine Reise nach Ägypten, Tunesien und Marokko kurzfristig ganz verschieben musste. Eine Woche später erwischte es Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Sein Airbus „Konrad Adenauer“ stand schon auf der Rollbahn, als der Bordcomputer ausfiel. Steinmeier kam aber doch noch nach Italien – in einer kleinen Chartermaschine.

Gabriel und Fahimi und Pegida

Eigentlich sollte zwischen einen Parteivorsitzenden und seinen Generalsekretär kein Blatt Papier passen. Im Umgang mit der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung trennten SPD-Chef Sigmar Gabriel und seine Generalsekretärin Yasmin Fahimi allerdings tiefe Gräben. Während sie noch die Teilnahme an Pegida-Veranstaltungen als „falsches Signal“ verurteilte, tauchte er überraschend im Januar bei so einer Veranstaltung auf und diskutierte mit Pegida-Anhängern. Rein privat, wie er beteuerte. Gabriels Erkenntnis: „Es ist nicht nur der Stammtisch, der da redet, sondern ganz oft auch der Frühstückstisch.“ Vermutlich vertiefte auch dieser Dissens bei beiden die Einsicht, dass man eigentlich nicht zusammenpasst. Jedenfalls trat Fahimi beim SPD-Parteitag im Dezember nicht mehr an.

Und es trifft doch – was taugt das G36?

Schießt es nun gut oder schießt es schlecht? So recht kann niemand sagen, ob das Sturmgewehr G36 der Bundeswehr etwas taugt oder nicht. In Auslandseinsätzen erprobte Soldaten jedenfalls schätzen die Waffe von Heckler & Koch als besonders zuverlässig im Gefecht. Das ergab eine im Oktober veröffentlichte Untersuchung im Auftrag des Verteidigungsministeriums. Da hatte Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) allerdings längst entschieden, die 167 000 Gewehre auszumustern – weil sie in Labortests angeblich schlecht trafen. Kein Wunder, dass bei diesem Durcheinander der Hersteller vor Gericht zog.

Wanka muss bei AfD-Schelte Rückzieher machen

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka gilt gemeinhin als freundlich-souveräne Ressortchefin, große Aufregung provoziert sie nur selten. Doch für kritische Anmerkungen über die AfD auf der Internetseite ihres Ministeriums musste sie sich Schelte des Bundesverfassungsgerichts gefallen lassen. Die rechtspopulistische Partei hatte geklagt, weil der Kommentar nicht von Wankas Partei, der CDU, verbreitet worden war, sondern vom Ministerium. Damit werde „das Recht politischer Parteien, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen“, verletzt, monierte auch Karlsruhe. Wanka solle die Kritik doch bitte von der Webseite tilgen.

Stimmzetteldebakel bei OB-Wahl in Köln

Eigentlich fanden in Nordrhein-Westfalen am 13. September Kommunalwahlen statt. Nicht jedoch in Köln, wo ein neuer Oberbürgermeister gesucht wurde. Dummerweise waren dort auf den Stimmzetteln die Parteinamen der Kandidaten besonders fett gedruckt. Das fand die Bezirksregierung gar nicht gut, weil dadurch parteilose Bewerber benachteiligt würden. Die Stadt druckte zwar schnell neue Stimmzettel, doch rund 55 000 der 812 000 Wahlberechtigten hatten ihre Stimme bereits abgegeben. Die OB-Wahl wurde auf den 18. Oktober verschoben, wo sich dann die parteilose Henriette Reker durchsetzte. (dpa)