Berlin. Deutschland unterstützt Frankreich mit Jets und einer Fregatte im Kampf gegen den IS. Ein Einsatz mit schwer kalkulierbaren Folgen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) redet um das Risiko des neuen Anti-Terror-Kampfes gar nicht erst herum: Die geplante Bundeswehr-Mission im Irak und Syrien sei „ohne Zweifel ein gefährlicher Einsatz“, sagt von der Leyen. Es werde „ein harter Kampf“. Und: „Die Risiken sind da“. Nicht nur für die Soldaten der Luftwaffe und Marine. Die Entscheidung der Bundesregierung für den Militäreinsatz gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) befeuert auch die Debatte um drohende Anschläge in Deutschland. Kritiker warnen vor einer erhöhten Terrorgefahr. Wie gefährlich wird der Kampfeinsatz in Nahost?

Für die Bundeswehr kursiert bereits ein Schreckens-Szenario: Die Entsendung einer Fregatte vor die syrische Küste gilt zwar als wenig riskant. Aber was, wenn einer der sechs deutschen Aufklärungs-Tornados über dem vom IS besetzten Gebiet abgeschossen wird? Die brutalen IS-Kämpfer haben demonstriert, was der Zwei-Mann-Besatzung passieren würde: Als im Dezember 2014 ein jordanischer Kampfpilot nahe der syrischen Stadt Rakka abstürzte, nahm ihn die IS-Terrormiliz gefangen und richtete ihn grausam hin. Der Mann wurde bei lebendigem Leib verbrannt, das Video seines Todeskampfes stellte der IS ins Internet.

Tornados könnten auch Bodenziele angreifen

Für die Tornados besteht eine Absturz-Gefahr schon deshalb, weil sie auch im Tiefflug unterwegs sind, um Bombenziele ausfindig zu machen. Der IS hat bei seinem Feldzug moderne Waffen erbeutet – neben Panzern, Artilleriegeschützen und Granatwerfern verfügt die Terrormiliz nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes auch über tragbare Luftabwehrwaffen, die angeblich Ziele bis in 6000 Meter Höhe treffen können. Von der Leyen versichert, die Tornados würden nur aufsteigen, wenn eine Rettungskette mit Evakuierungsteams bereitstehe. Bislang sei kein Flugzeug der Anti-IS-Allianz abgeschossen worden. Die Bundeswehr komme zudem nicht in ein völlig neues Gebiet, Bündnispartner hätten sich dort bereits etabliert. Tatsächlich ist die Allianz seit einem Jahr im Einsatz: Zehn Staaten fliegen Luftangriffe im Irak und in Syrien, neben den USA auch Frankreich, Kanada, Australien, Jordanien, Großbritannien, Niederlande, Dänemark, Saudi-Arabien und die Türkei.

Deutschland hat sich bisher auf die Unterstützung der kurdischen Peschmerga im Nordirak mit Waffen und Ausbildungshilfe beschränkt. Dass die deutschen Tornados nun auch selbst mit Raketen und Bomben in die Kämpfe eingreifen, gilt in der Koalition bislang als ausgeschlossen. Kampfjets gebe es dort genug. Luftwaffen-Inspekteur Karl Müllner erklärt dennoch, er könne auch „Fähigkeiten zur Bekämpfung von Bodenzielen“ anbieten. Die Tornados hätten ausreichend Präzisionsbewaffnung, die Besatzungen seien entsprechend ausgebildet.

Der IS hat schon mit Attacken gegen die „Kreuzfahrer“-Staaten gedroht

Die bisherigen Luftangriffe seien „nicht sehr intensiv“, sagt der Terrorexperte Guido Steinberg. „Sie haben nur dafür gesorgt, dass der IS im Großen und Ganzen gestoppt wurde, aber sie haben ihn nicht zurückdrängen können.“ Nun würden die USA öfter Spezialkräfte entsenden, um auch am Boden Kommandozentralen oder IS-Führer zu bekämpfen. Eine Beteiligung der Bundeswehr an Bodeneinsätzen wird in Berlin kategorisch ausgeschlossen. Dennoch ist klar, dass die Bundeswehr jetzt direkt in den Kampf einbezogen ist.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), sagt: „Wir sind bei der Unterstützung, bei der Lieferung von Daten zur zielgenauen Erfassung und zur Vorbereitung von Angriffen Bestandteil dieser Angriffe – deshalb kann man es auch Kampfeinsatz nennen.“ Eine Wende der deutschen Politik, die eine direkte militärische Reaktion auf die Bedrohung durch den Islamischen Staat bisher vermieden hatte. Und eine Ansage an den IS: Er hatte nach den Anschlägen von Paris mit weiteren Terrorattacken gegen jene Staaten gedroht, die die „Kreuzfahrer-Kampagne“ unterstützen. Alle, die sich an Angriffen gegen den IS beteiligten, drohe das „selbe Schicksal“ wie der französischen Hauptstadt. Berlin aber will sich nicht einschüchtern lassen.

Die Gefahr für die Bürger in Deutschland

Kritiker des Bundeswehreinsatzes warnen vor erhöhter Terrorgefahr. Die Opposition beklagt eine fehlende Rechtsgrundlage für die Mission ohne UN-Mandat und artikuliert massive Sorge: „Deutschland rückt stärker in den Fokus dieser Gewalttäter“ sagte Linke-Chefin Katja Kipping. Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour meint, die Mission werde Deutschland „als Terrorziel exponieren“. So sieht es auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter: Wenn die Bundeswehr in Syrien aktiv werde, rücke Deutschland in den Fokus für Anschläge.

Regierung und Koalitionsexperten winken ab: „Wir stehen bereits im Fadenkreuz“, sagt von der Leyen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärt, die Bundesrepublik sei völlig unabhängig von dem neuen Militäreinsatz gefährdet. Tatsächlich hatten erst im August zwei deutschsprachige IS-Kämpfer mit Anschlägen in Deutschland und Österreich gedroht. Sie wandten sich an Kanzlerin Merkel und erklärten, der IS werde sich für die Unterstützung Deutschlands beim Kampf gegen die Terrormiliz rächen.

Union fordert besseren Schutz auch für die Polizei

Auch in der Union will niemand offen über eine abermals gesteigerte Bedrohungslage durch den neuen Bundeswehreinsatz sprechen: „Die Terrorgefahr wird dadurch nicht zusätzlich erhöht“, sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU). Der IS sehe Deutschland „jetzt schon als Kreuzfahrernation“. Doch wie alarmiert die Experten sind, zeigt die am Freitag veröffentlichte Erklärung der innenpolitischen Sprecher von CDU und CSU in Bund und Ländern. Sie fordern darin mehrere Sofortmaßnahmen zur Verstärkung der Sicherheit: Deutsche Polizisten seien nicht ausreichend geschützt – etwa dann, wenn Terroristen mit Kalaschnikows angreifen. „Die jetzigen Schutzwesten dürften dem nicht standhalten“. Gefährliche Lücken sehen die Innenexperten auch beim internationalen Datenaustausch: Bis zu 5000 Dschihadisten seien von Europa aus in den Irak und nach Syrien gezogen, „aber nur 2000 sind in den Datenbanken gespeichert“.