Paris. Als Henker des Volkes hat Frankreich ihn bezeichnet. Nun sollen Assads Truppen zum Partner werden. Syriens Opposition ist entsetzt.

Kurswechsel in Paris: Frankreich erwägt überraschend eine Zusammenarbeit mit den Truppen des geächteten syrischen Regimes, um die Terrormiliz Islamischer Staat zu besiegen. Der Vorstoß kam am Freitag von Außenminister Laurent Fabius - genau zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris mit 130 Todesopfern, zu denen sich der IS bekannt hat. Gegner des Regimes von Baschar al-Assad reagierten empört und nannten Assad einen Terroristen, der mit dem IS gemeinsame Interessen verfolge. Doch auch Deutschland schließt inzwischen eine Zusammenarbeit des Westens mit der syrischen Armee im Kampf gegen den IS nicht mehr aus.

Syriens Staatschef Baschar al-Assad gilt als Hauptverantwortlicher für den Bürgerkrieg. Der Konflikt hat seit 2011 mehr als 250.000 Menschen das Leben gekostet und Millionen Syrer in die Flucht geschlagen. Nach den Terroranschlägen in Paris versucht Präsident François Hollande aber nun, eine möglichst breite Koalition gegen die sunnitische Miliz zu schmieden.

Fabius erklärte, im Kampf gegen den IS seien auf der einen Seite Luftangriffe nötig, auf der anderen Seite aber auch Bodentruppen. Letztere müssten die oppositionelle Freie Syrischen Armee, sunnitisch-arabische Kräften „und warum nicht auch Kräfte des Regimes“ stellen. Bodentruppen könnten jedenfalls nicht von Frankreich kommen. Noch vor wenigen Wochen hatte Hollande betont, man könne keinesfalls die moderate und demokratische Opposition mit dem „Henker des eigenen Volkes“ zusammenbringen.

Bei einem Treffen sicherte Russlands Staatschef Wladimir Putin Hollande zu, bei Luftangriffen in Zukunft die gemäßigte syrische Opposition zu schonen. Bislang hatte Russland alle Gegner ihres Verbündeten Assad als Terroristen eingestuft und bekämpft.

Die Opposition ist entsetzt

Syriens Opposition, bisher Partner des Westens, reagiert entsetzt und wütend auf die Worte aus Paris. „Dieser Schritt wird nur den Interessen des größten Terroristen Assad dienen“, wettert etwa Ahmed Ramadan, führender Vertreter des in Istanbul ansässigen Oppositionsbündnisses Nationale Syrische Koalition. Die Regierungsgegner mögen zersplittert sein. In einem Punkt aber sind sich fast alle einig: Assad ist in ihrer Sicht ein Kriegsverbrecher und muss abtreten. Kooperation ausgeschlossen.

Charles Lister, einer der besten Kenner der syrischen Opposition, verweist darauf, dass sich selbst die moderaten Rebellen auf den Kampf gegen Assad konzentrierten und der IS für sie erst an zweiter Stelle komme. „Das wird sich nicht ändern“, twitterte Lister. Auch von Aktivisten und Kämpfern im Land ist stets zu hören, der IS könne erst dann bekämpft werden, wenn Assad gestürzt sei, schließlich habe das Regime die Dschihadisten erst groß werden lassen.

Sie verweisen darauf, dass Assads Luftwaffe zwar regelmäßig Gebiete unter Kontrolle moderaterer Rebellen angreift - den IS jedoch nur selten bombardiert. Sollten Frankreich und andere westliche Staaten mit Assad paktieren, käme das womöglich vor allem einer Gruppe zugute: dem IS. Die Dschihadisten könnten argumentieren, nur mit ihnen sei eine Rückkehr des Regimes zu alter Stärke zu verhindern, warnt Adnan Hadad, Medienaktivist aus der nordsyrischen Stadt Aleppo. „Isis (der IS) hätte die Möglichkeit, neue Kämpfer zu rekrutieren.“

Bundesregierung: Syrische Armee muss erhalten bleiben

Die Bundesregierung betonte, Assad könne nicht Teil einer dauerhaften Lösung sein. Aber: „Es besteht Einigkeit bei allen Partnern, dass die staatlichen Strukturen in Syrien erhalten bleiben müssen. Dazu gehört auch die syrische Armee“, sagte ein Regierungssprecher in Berlin.

Fabius äußerte sich am Freitagmorgen vor der offiziellen Trauerfeier zu den Terroranschlägen von Paris. Dazu hatten sich im Ehrenhof des Invalidendoms 1000 geladene Gästen versammelt. Hollande sagte, Frankreich halte trotz des Blutvergießens an seinen Prinzipien von Hoffnung und Toleranz fest. „Wir ergeben uns weder der Angst noch dem Hass.“

Islamistische Terroristen hatten am 13. November mit Sturmgewehren und Sprengstoffwesten an mehreren Orten in der Hauptstadt zugeschlagen. Seitdem gilt in Frankreich der Ausnahmezustand.

Russland und Türkei lassen Konflikt weiter eskalieren

Im Streit über den Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges durch die Türkei ist der Versuch einer Deeskalation bislang misslungen. Putin verweigerte am Freitag einen direkten Kontakt zu seinem Kollegen Erdogan, weil dieser keine Entschuldigung angeboten habe. Erdogan wiederum warnte die Regierung in Moskau vor einem „Spiel mit dem Feuer“. Am Nachmittag kündigte der russische Außenminister Sergej Lawrow dann an, die Visafreiheit mit der Türkei vom 01. Januar 2016 an aufzuheben. Die Türkei hatte am Dienstag einen russischen Kampfjet abgeschossen, der nach Darstellung der Regierung in Ankara den Luftraum verletzt hatte. Russland weist dies zurück und hat erklärt, die Maschine habe sich in Syrien aufgehalten.

Er sei dagegen, den Konflikt auf andere Gebiete der zwischenstaatlichen Beziehungen auszudehnen, sagte Erdogan am Freitag in einer Rede. Er wies zugleich russische Vorwürfe zurück, wonach die Türkei von der Extremistenmiliz Islamischer Staat Öl kauft. Dies sei Verleumdung. Zugleich betonte Erdogan aber, er wolle die Beziehungen zu Russland nicht beschädigen. Möglicherweise werde er mit Putin auf dem Klimagipfel in Paris am Montag sprechen. Ein Berater Putins kritisierte, dass sich für Türkei für den Abschuss nicht entschuldigen will. Dies sei der Grund, warum Putin ein direktes Gespräch mit Erdogan verweigert habe.

Die angekündigte Aufhebung der Visafreiheit mit Russland trifft die Türkei, denn das Land bemüht sich seit langem etwa auch um eine Visaliberalisierung mit der EU. Die russische Regierung hatte bereits gedroht, den Türkei-Tourismus einzuschränken, was für das Land am Bosporus teuer werden dürfte. Eine Eskalation gegenseitiger Wirtschaftssanktionen dürfte aber beide Schwellenländer hart treffen. Die Bundesregierung hatte beide Seiten zur Deeskalation und zur Konzentration auf einen gemeinsamen internationalen Kampf gegen die radikalislamische Miliz IS aufgerufen.

Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, kritisierte, der Abschuss helfe nicht bei den internationalen Bemühungen um eine Friedenslösung für Syrien. „Wahrscheinlich wird es diese verkomplizieren“, sagte er in Stockholm.