Berlin. Hinweise des französischen Geheimdienstes führten zu der Absage des Spiels in Hannover. Die Rede ist von einer neuen Terrorgruppe.

Es ist weiterhin unklar, ob die Absage des Fußball-Länderspiels am vergangenen Dienstag in Hannover ein falscher Alarm war. Inzwischen kann man allerdings besser nachvollziehen, in welcher Zwickmühle sich die Behörden und die Innenminister von Bund und Land damals befanden.

Die Hinweise waren „offensichtlich so konkret und plausibel“, dass für den Vorsitzenden des Innenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), „keine andere Entscheidung mehr möglich war“, als das Spiel abzusagen. „Aus meiner Sicht hat Innenminister Thomas de Maizière richtig gehandelt“, bekräftigte der CDU-Abgeordnete im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz lag die Warnung eines französischen Partnerdienstes vor, die „relativ konkret“ und „sehr verdichtet“ war: Tatort, einen Namen sowie die Vorgehensweise. Gewöhnlich fehlen in solchen Berichten konkrete Angaben zur Quelle, sodass die deutschen Behörden nicht abschätzen konnten, wie zuverlässig der Informant der Franzosen ist.

In der Warnung war von fünf Terroristen die Rede, von vier Männern und einer Frau. Sie sollten drei Bomben im Stadion und eine in der Nähe zünden. Nach mehreren Berichten sollte noch ein fünfter Sprengsatz in einem Zug detonieren.

Die Franzosen lieferten konkrete Hinweise, sogar einen Namen

Die Ermittler kommen bis heute kaum voran. Falls Terroristen unterwegs waren, ist die Gefahr nicht gebannt. Sie könnten noch zuschlagen. Die Sicherheitsbehörden sind unverändert alarmiert und suchen nach der möglichen Terrorgruppe.

Beim Verfassungsschutz herrscht große Verärgerung über das Leck und nicht zuletzt über Berichte, wonach es unterschiedliche Bewertungen zur Glaubwürdigkeit des französischen V-Mannes gegeben habe. Schließlich ist die Geheimhaltung die Geschäftsgrundlage für die Kooperation der Geheimdienste.

Die Franzosen hatten sogar einen Namen genannt. Der Abgleich mit den Dateien der deutschen Behörden brachte indes keinen Treffer. Der Mann mit einem arabischen Namen war nicht auf der Liste der bekannten „Gefährder“, die nach dem Anschlag von Paris ohnehin unter verschärfter Beobachtung sind.

Seit Dienstag hat die Polizei weder irgendeinen Verdächtigen verhaften können, noch wurden im und an der HDI-Arena sowie am Hauptbahnhof in Hannover Bomben gefunden. Es fehlt einfach ein klarer Beweis; das, was die Amerikaner eine „smoking gun“ nennen, einen rauchenden Colt. Entweder war es ein falscher Alarm, oder der Fahndungsdruck hat die Terrorgruppe abgeschreckt und dazu veranlasst, ihren Angriff abzublasen. Am Donnerstag leitete der Generalbundesanwalt erst einmal Ermittlungen wegen eines Anfangsverdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ein.

Bundespräsident Gauck rief dazu auf, die Freiheit zu verteidigen

Nicht nur die Polizei, auch die Politiker steckten in der Bredouille. Sie konnten keine Details nennen, um weder die Bevölkerung zu alarmieren noch den mutmaßlichen Terroristen in die Hand zu spielen. Aber gleichzeitig geriet vor allem Innenminister de Maizière unter Erklärungsdruck.

Die Indiskretionen dieser Tage sind für ihn in gewisser Weise hilfreich. Sie machen seine Beweg- und Hintergründe, seine Sachzwänge verständlich. Sie erschweren aber der Polizei und den Diensten ihren Job.

An de Maizières Einschätzung der allgemeinen Bedrohungslage änderte sich nichts, nach seinen Worten auch nicht durch die derzeitige Terrorwarnung in Brüssel. Zufrieden dürfte der Minister beobachten, wie sich die deutsche Bevölkerung verhält. Sie ist nicht übermäßig beunruhigt. Vor allem will die große Mehrheit der Bundesbürger nach einer Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ ihr persönliches Verhalten nicht ändern, sondern weiterhin Weihnachtsmärkte, Fußballspiele oder Konzerte besuchen. Das gaben immerhin 89 Prozent der 502 Befragten an.

Dazu passt der Aufruf von Bundespräsident Joachim Gauck, die freiheitliche Grundordnung zu verteidigen. Gauck sagte am Sonntag in Freiburg, statt Ohnmacht brauche es „Selbstbestätigung und Verteidigung“ freiheitlicher Überzeugungen.

In der Politik geht die Debatte weiter

Aktionistisch klingen da die Stimmen aus dem politischen Raum. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte am Wochenende, Islamisten müsse die Staatsbürgerschaft entzogen werden. Wie viele davon betroffen sein würden, ließ Herrman allerdings offen, zumal die Maßnahme rechtlich nur für diejenigen in Frage käme, die neben der deutschen noch eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen. Ausländer können schon bisher ausgewiesen werden – und Deutsche dürfen laut Grundgesetz wiederum nicht staatenlos werden.

Noch weiter ging Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Auf dem Parteitag der baden-württembergischen CDU hatte Schäuble bereits am Freitag dafür plädiert, die Bundeswehr im Innern einzusetzen. Wenn die Kräfte der Polizisten von Bund und Ländern erschöpft seien, solle so ein Einsatz nicht leichtfertig abgelehnt werden. „Dazu legitimiert uns unsere Geschichte nicht“, sagte Schäuble. Er war im Laufe seiner politischen Karriere schon zweimal Innenminister, und die Debatte über einen Einsatz der Bundeswehr im Innern ist ein politisches Steckenpferd, das er seit Jahrzehnten reitet. Ein totgerittenes Pferd?

De Maizière will keinen Einsatz der Bundeswehr im Innern

Innenminister de Maizière lehnte die aktuelle Forderung von Finanzminister Schäuble umgehend ab. Ein Grund dafür ist, dass die Streitkräfte schon heute Amtshilfe leisten dürfen. Eine weitere Erklärung dürfte sein, dass der Ruf nach dem Militär immer auch etwas aus über die aussagt, die Hilfe bräuchten: über die Polizei. Sie ist nach dem Verständnis ihres Dienstherren aber gut aufgestellt.