Brüssel. Die EU-Minister haben ein Paket zur Terrorabwehr beschlossen. Dies beinhaltet aber nicht nur strengere Kontrollen der EU-Außengrenzen.

Europas Bürger müssen sich ab sofort auf intensive Kontrollen und lange Schlangen an den Grenzen einstellen. Als Antwort auf die Anschläge von Paris wollen die EU-Staaten auch Reisende mit europäischem Pass bei der Ein- und Ausreise in die EU wieder polizeilich überprüfen. Darauf verständigten sich die EU-Innen- und Justizminister bei ihrem Sondertreffen zur Terrorabwehr am Freitag in Brüssel. Dies soll helfen, zurückkehrende Syrien-Kämpfer – wie einige Attentäter von Paris – und potenzielle Dschihadisten zu finden.

Am Flughafen oder auf der Autobahn wird somit künftig auch jeder EU-Bürger an einer EU-Außengrenze daraufhin kontrolliert, ob nach ihm gefahndet wird, er unter Terrorverdacht steht oder schon einmal in Europa verurteilt wurde. Dafür sollen Beamte auf die europaweite Fahndungsdatenbank Schengener Informationssystem (SIS) und Daten der Polizeibehörde Europol oder Interpol zugreifen. Diese systematischen Kontrollen sollten „so schnell wie möglich“ beginnen, sagte Luxemburgs Minister Etienne Schneider, der das Treffen leitete. In der Erklärung der Minister heißt es, damit würde „sofort“ begonnen.

Reisende müssen sich innerhalb Europas auf Kontrollen einstellen

Bisher werden laut Schengener Grenzkodex nur Nicht-EU-Bürger und ankommende Flüchtlinge bei der Ein- und Ausreise in den grenzkontrollfreien Schengen-Raum systematisch polizeilich überprüft. Bei EU-Bürgern wird lediglich Gültigkeit und Echtheit des Dokuments untersucht. Die Minister forderten die EU-Kommission auf, bis Jahresende einen Vorschlag für die entsprechende Änderung des Schengener Grenzkodex zu machen.

Reisende müssen sich aber auch innerhalb Europas auf Kontrollen einstellen, etwa an der französischen Grenze. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sagte: „Wir werden an diesen Kontrollen festhalten, solange es die Terrorismuskrise erfordert.“ Zugleich schränkte Cazeneuve aber auch ein: „Man kann das Risiko bei der Terrorbekämpfung nicht gleich Null setzen.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) begründete die Maßnahmen mit den Worten: „Wir (müssen) wissen, wer nach Europa fliegt, wer nach Europa zurückkommt, damit wir reagieren können.“ Es gebe Tausende reisende Dschihadisten, die in Syrien an der Seite der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpften und dann Anschläge in Europa planten und ausführten. Fast jede Woche werde in Deutschland ein solcher Reisender festgenommen.

Diskussionen über das PNR-System gibt es seit Jahren

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, bei den Anschlägen in Paris habe es sich „um mindestens zwei Syrien-Heimkehrer gehandelt“. Nach Angaben der europäischen Polizeibehörde Europol sind bis zu 5000 Europäer zum Kampf nach Syrien ausgereist.

Die Minister vereinbarten bei dem Treffen ein Paket zur Terrorabwehr. Dazu gehören auch strengere Auflagen für den Kauf von Waffen und ein härteres Durchgreifen gegen den Waffenschmuggel. Die EU will auch mehr tun, um die Finanzströme der Terroristen zu kappen. „Die Staaten haben zugesagt, die Umsetzung der Geldwäsche-Richtlinie zu beschleunigen“, sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourova.

Neuer Schwung kommt auch in die jahrelange Debatte über ein europäisches System zur Speicherung der Daten von Fluggästen (PNR-System). Dieses soll bis Jahresende beschlossen werden. Dann werden Daten wie Name, Kreditkartennummer und Essenswünsche auf Vorrat gespeichert; Fahnder könnten diese bei der Terrorabwehr auswerten.

Seit Jahren wird über das PNR-System diskutiert. Das EU-Parlament hatte das Vorhaben wegen Datenschutzbedenken zunächst blockiert. Die EU-Staaten wollen nun auch innereuropäische Flüge einbeziehen und die namentliche Speicherfrist von einem Monat auf ein Jahr verlängern – das dürfte noch für Konflikte mit dem Parlament sorgen. Frankreichs Minister Cazeneuve drängte: „Wir dürfen bei diesen Themen keine Zeit verlieren. Es ist Eile geboten.“

Deutschland lehnt neuen europäischen Nachrichtendienst ab

Die EU-Staaten sagten auch zu, sich besser über Terrorverdächtige zu informieren. Am 1. Januar 2016 soll ein Anti-Terror-Zentrum bei der Europäischen Polizeibehörde Europol entstehen. Bislang geben nur fünf von 28 EU-Staaten Informationen an andere Nachrichtendienste weiter. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach von einem „Defizit im Informationsaustausch zwischen Polizei und den Nachrichtendiensten. Da braucht es bessere Koordination.“ De Maizière sprach von „Sicherheitslücken“.

Dagegen bleibt die Idee, einen europäischen Geheimdienst zum Kampf gegen den Terror aufzubauen, unter den EU-Staaten umstritten. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos schlug dies am Freitag vor, räumte aber ein: „Dies ist eine ideale Idee, (...) aber wir diskutieren noch nicht darüber.“

Denn die Geheimdienstarbeit fällt in die nationale Kompetenz der EU-Staaten, und viele sind zögerlich dabei, Informationen zu teilen. Deutschland lehnt einen neuen europäischen Nachrichtendienst ab. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir bereit sind, unsere nationalen Kompetenzen dort aufzugeben“, sagte de Maizière. (dpa)