Paris. Die französische Regierung stimmt ihr Land auf Krieg ein. Im Inland fährt Präsident Hollande den Sicherheitsapparat weiter hoch.

Nein, vor dem K-Wort schrecken seit Samstag in Frankreich weder Staats- noch Regierungsspitze zurück. Präsident François Hollande hatte die mörderische Attentatsserie in Paris beinahe sofort als einen kriegerischen Akt bezeichnet. Vor den in Versailles versammelten Abgeordneten der Nationalversammlung und des Senats bestätigte er am Montag, was sein Premierminister Manuel Valls bereits am Samstag erklärt hatte: „Ja, Frankreich befindet sich im Krieg!“ Allerdings handele es sich nicht um einen Krieg der Kulturen, sondern um einen Krieg gegen den „dschihadistischen Terrorismus“.

Dass zu diesem Krieg ein hartes Durchgreifen gegen Islamisten im Inland ebenso gehört wie militärisches Vorgehen im Ausland, war schon am Sonntagabend deutlich geworden. Während in Frankreich rund 150 Razzien im Islamistenmilieu stattfinden, führt die französische Luftwaffe ihre bisher schwersten Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien durch. Zehn Kampfjets bombardieren zwei Ausbildungslager unweit von Rakka. „Beide Ziele wurden zerstört“, teilt der Pariser Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian in einem dürren Kommuniqué mit. Über die konkreten Maßnahmen hingegen, auf die er sich am Sonntag mit seinem amerikanischen Amtskollegen verständigt hatte, um den militärischen Druck auf den IS zu erhöhen, ließ er nichts verlauten.

„Wir wissen, dass die Attentate von Syrien aus organisiert, erdacht und geplant wurden“, sagte Valls am Montagmorgen dem Radiosender RTL. „Und wir wissen auch, dass der Islamische Staat für die kommenden Tage und Wochen weitere Attacken vorbereitet – nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern.“

Regierung will Ausnahmezustand auf drei Monate ausweiten

Der Regierungschef lieferte damit nicht nur eine Begründung für die verbale Aufrüstung vom bisherigen „Kampf“ zum „Krieg“ gegen den Terror nach. Er bereitete auch einer Verlängerung des am Wochenende von Präsidenten verhängten Ausnahmezustands den Boden. Derzeit gilt er nur für zwölf Tage, doch die Regierung will ihn auf drei Monate verlängern. Diese Maßnahme aber muss von der Nationalversammlung abgesegnet werden.

Allein im Rahmen des Ausnahmezustands etwa war es möglich, die gewaltige Lawine von Razzien ohne richterlichen Beschluss loszutreten. Dass bei den Durchsuchungen in gut 30 Städten des Landes jede Menge Waffen sichergestellt werden konnten und offenbar mehr als zwei Dutzend Verdächtige festgenommen wurden, stärkt den Regierungsantrag vor den Abgeordneten.

Die Frage bleibt, wie weit das Land überhaupt noch hochrüsten kann. Im Kampf gegen den Terror befindet sich Frankreich schließlich schon spätestens seit dem Januar 2013. Damals ordnete Hollande die militärische Intervention im Mali an, um das Land aus der Hand islamistischer Terrorbanden zu befreien. Es folgte die Beteiligung an den Luftschlägen gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien, während der Einsatz im Mali durch die im August 2014 angelaufene Operation „Barkhane“ ersetzt wurde. Seither versucht Paris mit rund 3000 Soldaten, die Unterwanderung der Sahelzone durch die Dschihadisten zu verhindern. Dieser „robuste“ Kampfeinsatz gegen den islamischen Fundamentalismus wird in einem Gebiet geführt, das über Mali hinaus Mauretanien, Burkina Faso, Niger sowie den Tschad einschließt und so groß ist wie Europa ohne Russland.

Hinzu kommt, dass nach den Pariser Anschläge auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar ununterbrochen die höchste Alarmstufe galt. 10.000 Soldaten befinden sich bereits im Dauereinsatz zum Schutz von religiösen und öffentlichen Einrichtungen, Bahnhöfen und Flughäfen. Außerdem wurden Polizei, Gendarmerie und Geheimdienste personell wie materiell aufgerüstet. Die Franzosen haben sogar eine Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte durch das im Mai verabschiedete Geheimdienstgesetz hinnehmen müssen, das insbesondere massive Abhörmaßnahmen jenseits jeder Justizkontrolle legalisiert.

Anzahl der Kampfflugzeuge im Luftkrieg gegen IS verdreifacht

Aber obwohl Polizei wie Armee längst an ihre Auslastungsgrenzen stoßen, muss nach dem Willen des Präsidenten jetzt noch mehr gehen. Am Wochenende wurden nicht nur die wenige Tage zuvor wiedereingeführten Grenzkontrollen drastisch verschärft, sondern auch 3000 zusätzliche Soldaten zur Sicherung der Hauptstadt abkommandiert. Am Donnerstag verlässt zudem der nukleargetriebene Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ seinen Heimathafen Toulon in Richtung Persischer Golf. Dort wird sein Eintreffen die Anzahl sowie Schlagkraft der am Luftkrieg gegen IS beteiligten französischen Kampfflugzeuge verdreifachen.

An seiner Entschlossenheit, die Islamisten „erbarmungslos“ zu verfolgen, ließ Hollande am Montag in Versailles vor den Abgeordneten der Nationalversammlung und des Senats nicht den geringsten Zweifel aufkommen: „Unser Feind ist der Islamische Staat, wir müssen diese größte Terroristen-Fabrik der Welt vernichten!“ Allerdings machte der Präsident sofort deutlich, dass er mit „wir“ nicht allein die Franzosen meint, sondern auf die Unterstützung aller Partner zählt. So will er schon „in den nächsten Tagen“ bei persönlichen Treffen sowohl mit US-Präsident Barack Obama als auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über neue Strategien für den Krieg gegen IS diskutieren. Darüber hinaus kündigte Hollande an, dass er den UN-Sicherheitsrat anrufen wird. Die Zerstörung des IS sei eine Aufgabe, der sich die internationale Staatengemeinschaft stellen müsse.