Berlin. Kein Land in Europa ist so stark vom islamistischen Terror betroffen wie Frankreich. Er ist offenbar Rache für die Militärpolitik.

Noch im August hatte der französische Staatspräsident François Hollande seine Landsleute zur Wachsamkeit gemahnt „Wir müssen uns auf neue Attacken vorbereiten und uns schützen“, warnte er in einer Rede vor Botschaftern im Pariser Élyséepalast. Am Freitagabend ist aus dieser Sorge grausame Realität geworden.

Kein europäisches Land stand in den vergangenen zwölf Monaten derart im Fokus des islamistischen Terrors wie Frankreich. Zuerst die Anschläge auf „Charlie Hebdo“, dann die Attacke auf eine Gasfabrik in der Nähe von Lyon – und nun die blutige Nacht von Paris. Dazwischen mehrfach Berichte über Festnahmen und in letzter Sekunde vereitelte Anschläge. Warum immer wieder Frankreich?

Hollande befahl Luftangriffe auf den IS in Syrien

Einen Hinweis auf die Hintergründe lieferten offenbar die Mörder von Paris selbst. Die Franzosen hätten die Anschläge ihrem Staatspräsidenten zu verdanken, sollen die Selbstmordattentäter in der Konzerthalle „Bataclan“ gerufen haben. Konkret nannten sie demnach das französische Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg.

Ende September hatte Hollande erklärt, dass französische Luftstreitkräfte erstmals in Syrien Stellungen der Extremisten-Organisation „Islamischer Staat“ (IS) bombardiert hatten. Er begründete die Luftangriffe mit der Wahrung „der nationalen Sicherheit“ angesichts „der terroristischen Bedrohung“ durch die IS-Miliz. Zuvor hatte sich Frankreich, ebenso wie Großbritannien, bereits im Irak an der von den Amerikanern geführten Koalition gegen die IS-Einheiten beteiligt.

Militäreinsätze in verschiedenen Ländern

Bereits vor zwei Jahren, im Sommer 2013, hatte sich Hollande an die Seite von US-Präsident Barack Obama gestellt, als dieser Militärschläge gegen Syriens Machthaber Assad ankündigte. „Frankreich und die USA: Die Achse des Krieges“, beschrieb damals die linke Tageszeitung „Libération“ die neue politische Kooperation zwischen Paris und Washington. So rückte Frankreich offenbar immer mehr in den Fokus islamistischer Terrorgruppen – vom IS über Al Kaida bis hin zu verschiedenen Splittergruppen.

Insgesamt verhielt sich Paris in den vergangenen Jahren nicht eben zurückhaltend, wenn es um militärische Einsätze im Ausland ging. Allein seit 2011 engagierte sich Frankreich militärisch in der Elfenbeinküste, in Libyen, Mali, der Zentralafrikanischen Republik sowie im Irak. Und seit September eben auch in Syrien, gegen den IS.

Drohungen von Islamisten in Mali

Im westafrikanischen Mali, einst eine französische Kolonie, griff Frankreich ebenfalls mit Luftangriffen in den Konflikt ein. In Mali und der gesamten Sahel-Zone sind verschiedene islamistische Gruppen aktiv. Prompt kamen Drohungen von malischen Islamisten, Frankreich „ins Herz“ treffen zu wollen. Der aus Algerien stammende Anführer des Al-Kaida-Ablegers Aqmi, Abdelmalek Droukdel, warnte Paris in einem Video ausdrücklich vor dem Militäreinsatz in Mali: „Wenn ihr den Krieg wollt, dann wird die Sahara ein großer Friedhof für eure Soldaten und ein Desaster für eure Interessen.“

Dass die in mehreren afrikanischen Staaten verwurzelten Aqmi-Kämpfer und andere islamistische Gruppen gezielt gegen Frankreich vorgehen, bewiesen sie bereits bei Geiselnahmen und Anschläge auf französische Einrichtungen in der Sahel-Zone.

Sorge vor radikalisierten Einzelgängern

Gleichzeitig wuchs in Frankreich zuletzt die Sorge vor so genannten „home grown terrorists“ – das sind Einzelgänger, die sich ohne direkten Kontakt zu einer Terrorgruppe allein radikalisieren, meist über islamistische Propaganda im Internet. Und die dann Anschläge begehen könnten. Der Nährboden für Islamismus ist in Frankreich offenbar vorhanden. Viele radikale Islamisten aus Frankreich ziehen von dort aus in den „heiligen Krieg“. Die französischen Behörden gehen davon aus, dass derzeit mehr als 500 Franzosen in Syrien und im Irak an der Seite der IS-Miliz kämpfen.