Berlin. Griechischer Finanzminister will die Schulden seines Landes umschichten. Nächstes Krisentreffen mit Merkel und Hollande in Brüssel.

Schnellen Schrittes nimmt Giannis Varoufakis die vier Stufen zum Bundesfinanzministerium. Wortlos läuft der 54-Jährige an einer kleinen Gruppe wartender Journalisten vorbei. Eineinhalb Stunden vergehen. Zeit, die der griechische Finanzminister am Montagvormittag mit seinem Amtskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin verbracht hat. Wenngleich beide über konkrete Inhalte oder gar Ergebnisse schweigen und in manchen Ansichten weiterhin auseinanderliegen dürften, so teilen doch beide Männer zumindest atmosphärisch nach der Unterredung dieselbe Einschätzung: Ihr Gespräch verlief „offen, konstruktiv und in freundlicher Atmosphäre“, hieß es aus dem Bundesfinanzministerium. Varoufakis selbst bezeichnete das Treffen zudem als produktiv. Die Begegnung sei hilfreich gewesen, um den Prozess der vergangenen Wochen und Tage zu festigen und zu einer abschließenden Lösung zu kommen: „Wir haben ein gemeinsames Verständnis des Problems.“

Das Problem ist altbekannt und schleppt sich seit Monaten, ja Jahren hin. Griechenland muss bis Ende des Monats insgesamt 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Dazu braucht das Land jedoch einen Teil der 7,2 Milliarden Euro aus einem Hilfsprogramm, das wegen mangelnder Reformen in Griechenland derzeit eingefroren ist. Wird dem Land das Geld verweigert, droht die Staatspleite. Für eine bereits vergangene Woche fällige Rate von 300 Millionen Euro erhielt das Land von den Gläubigern – IWF, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) – einen Zahlungsaufschub.

Varoufakis trifft mehrere Parteien

Vermutlich, um Verständnis für die griechische Situation zu werben, stattete Varoufakis am Montag gleich mehreren Parteien in Berlin einen Besuch ab. So standen Bündnis90/Die Grünen mit ihrem Fraktionschef Anton Hofreiter und Abgeordneten Gerhard Schick, Die Linke mit Noch-Fraktionschef Gregor Gysi sowie die Parlamentarische Linke der SPD-Fraktion auf seinem Besuchsprogramm. Mit jeder Gruppe nahm sich der linke Wirtschaftswissenschaftler, der wie immer modisch leger, ohne Krawatte, in dunklem Anzug, hellblauem Hemd mit geöffnetem Kragen auftrat, etwa eine Stunde Zeit.

„Es ist Zeit damit aufzuhören, mit dem Finger auf den anderen zu zeigen“, mahnte Varoufakis nach einem Treffen mit der Linken-Faktion. Die EU-Kommission habe als Regierung der Europäischen Union die Pflicht, Politikern bei einer Lösung zu helfen und Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen.

Am Abend konkretisierte Varoufakis seine Kritik bei einem Forum des gewerkschaftsnahen Instituts IMK der Hans-Böckler-Stiftung. Im voll besetzten Kirchensaal des Französischen Doms wies er die Vorschläge der Geldgeber zur Lösung der Schuldenkrise zurück und forderte eine schnelle Einigung. Eine Haushaltssanierung ohne Wachstum könne nicht gelingen. „Bitte erlaubt uns Reformen. Diese griechische Regierung ist in der Lage, die Bevölkerung zu überzeugen, aber nicht durch weitere Steuererhöhungen.“ Es seien bereits große Zugeständnisse gemacht worden. Doch die Bürger könnten nicht weiter ausgepresst werden. Das Rentensystem müsse reformiert werden, aber nicht durch weitere Kürzungen. Varoufakis wünschte sich zudem mehr europäische Solidarität. Ihm schwebe eine „Rede der Hoffnung für Griechenland“ vor, am besten von Bundeskanzlerin Angela Merkel, „an einem Ort in Griechenland ihrer Wahl“. Eine Rede, wie sie einst US-Außenminister James Byrnes 1946 in Stuttgart hielt und Deutschland damals eine Re-Industrialisierung in Aussicht stellte.

Weiteres Krisentreffen am Mittwoch

Unterdessen ist der griechische Regierungschef Alexis Tsipras in Athen weiter um Entspannung mit den Gläubigern bemüht. Nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein bislang ausgewiesener Griechen-Freund, Tsipras am Vortag scharf dafür kritisierte, dass er keine Mehrheit für eine Vereinbarung mit den Kreditgebern in der Regierungskoalition finde, anders als vereinbart keine Gegenvorschläge zu den Sparvorschlägen der Gläubiger vorgelegt habe und ihm gezielte Fehlinformationen vorwarf, reisten enge Mitarbeiter des griechischen Ministerpräsidenten am Montag nach Brüssel. Dort ist am Mittwoch ein weiteres Krisentreffen von Tsipras mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem französischen Präsidenten François Hollande geplant. Die Delegation solle dort „Möglichkeiten für eine Annäherung zwischen den Gläubigern und Athen“ sondieren.

Merkel warnte vor weiteren Verzögerungen. „Man muss schon sagen: Es ist nicht mehr viel Zeit“, sagte die Kanzlerin nach dem G7-Gipfel in Elmau. „Ich kann nur sagen: Jeder Tag zählt jetzt, um die notwendige Arbeit noch zu erledigen.“ Griechenland solle in der Euro-Zone gehalten werden, aber es müssten auch Regeln eingehalten werden.