Es geht um Unterstützung Todkranker, aber auch um Geschäftemacherei. Im Bundestag gehen die Meinungen über die Sterbehilfe weit auseinander.

Berlin/Hamburg. Der Tod ist ein Teil des Lebens. Sagt die Mutter von Forrest Gump, doch der will das nicht akzeptieren. Anders als der Filmheld haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages diese Weisheit akzeptiert und sich ihr gestellt. Doch wann der Tod eintritt und wer darüber möglicherweise mitbestimmen kann, ist das umstrittene Thema dieser Tage. Die Sterbehilfe kann man gesetzlich neu regeln – doch sollte man das auch?

Quer durch die politischen Lager wurde die Sterbehilfe kontrovers diskutiert. CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wandte sich gegen eine „Verklärung der Selbsttötung“, während Bundestagsvize Peter Hintze (CDU) für ein Ärztegesetz zur Suizidbeihilfe eintrat. Renate Künast (Grüne) verteidigte Sterbehilfe-Vereine, die aber von den meisten Abgeordneten abgelehnt werden.

Einigkeit bestand in der knapp fünfstündigen Debatte mit fast 50 Rednern darüber, die Palliativmedizin zu stärken, die Sterbenskranke etwa durch Schmerztherapie begleitet. Eine Mehrheit der Redner wandte sich zudem gegen die umstrittenen Sterbehilfe-Organisationen wie die obskure des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch. „Wir sind uns einig, dass wir diese Vereine nicht in unserem Land haben wollen“, sagte Unionsfraktionsvize Volker Kauder (CDU). Selbst die grundsätzlichen Befürworter dieser Organisationen plädierten dafür, Geschäftemachern das Handwerk zu legen.

Gröhe warnte davor, Suizid als Dienstleistung anzubieten. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt äußerte sich skeptisch zur Sterbehilfe: „Ich sorge mich um diejenigen, die meinen, nicht nur ihr Leben, sondern auch ihren Tod in den Griff kriegen zu müssen.“

Sterbehilfe, Beihilfe: Das ist die Rechtslage

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach sich dafür aus, vor einer gesetzlichen Regelung zur Sterbehilfe zunächst die Möglichkeiten der Palliativmedizin auszubauen. Zudem müsse die Ärzteschaft ihre Haltung klären. Oppermann verwies auf die Unterschiede beim regionalen Berufsrecht der Ärzte. „Ein Arzt, der hilft, darf nicht von der Ärztekammer belangt werden dürfen.“

Ärztekammer-Präsident: Hilfe zum Leben, nicht zum Sterben

Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery sagte: „Es ist gut, dass sich der Bundestag viel Zeit genommen hat, um sich intensiv mit dem sensiblen Thema der Sterbehilfe zu beschäftigen. Denn hier stoßen unterschiedliche ethische Einstellungen, religiöse Überzeugungen und individuelle Erfahrungen aufeinander.“ Es sei gut, dass man Sterbehilfevereinen „das Handwerk legen“ wolle.

Montgomery sagte weiter: „In der weitergehenden Debatte über eine gesetzliche Regelung des assistierten Suizids haben wir immer wieder klargestellt, dass die Beihilfe zum Suizid keine ärztliche Aufgabe ist. Das Berufsethos verpflichtet den Arzt, Hilfe zum Leben zu leisten, nicht Hilfe zum Sterben.“

Für eine zivilrechtliche Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zugunsten der Ärzte warb der frühere Pfarrer Hintze. Einzig eine solche schaffe Rechtssicherheit, argumentierte er. Hintze verwies darauf, dass laut Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung die Sterbehilfe befürworte. „Wir sollten der Mehrheit eine Stimme geben.“

Renate Künast will Sterbehilfe-Vereine zulassen

Künast sprach sich gegen ein Verbot der Sterbehilfe-Vereine aus. „Haben wir doch Erbarmen und lassen zu, dass die Menschen ihrer Überzeugung entsprechend leben, aber ihrem Leben auch selbstbestimmt eine Ende setzen dürfen“, sagte die Grünen-Politikerin.

Eine aktive Sterbehilfe, also die Tötung auf Verlangen, steht in den Positionspapieren der einzelnen Abgeordnetengruppen nicht zur Debatte. Es geht lediglich um die Beihilfe zum Suizid. Entscheiden soll der Bundestag in der Frage im kommenden Jahr. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) warf aber die Frage auf, ob eine gesetzliche Neuregelung überhaupt notwendig ist. Er sprach dennoch vom „vielleicht anspruchsvollsten Gesetzgebungsprojekt dieser Legislaturperiode“.

Das sehen die einzelnen Sterbehilfe-Vorschläge vor:

Parlamentariergruppe der Koalition: Eine Gruppe von Koalitionsabgeordneten um Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) sowie die SPD-Fraktionsvize Carola Reimann und Karl Lauterbach will Todkranken die Möglichkeit zur ärztlich assistierten Selbsttötung geben. Sie nennen sieben Bedingungen für einen solchen ärztlich assistierten Suizid. Die Handlung müsse immer durch den Patienten selbst erfolgen (Tatherrschaft). Sie fordern eine zivilrechtliche Regelung im Umfeld der Patientenverfügung, keine strafrechtliche.

Unions-Mehrheit: Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) macht sich – ähnlich wie Unionsfraktionschef Volker Kauder – für ein umfassendes Sterbehilfeverbot stark. Beide sind auch gegen ärztlich begleitete Selbsttötung. In der Palliativmedizin sei die „aktive Gabe von schmerzlindernden Mitteln zulässig, selbst wenn dabei eine lebensverkürzende Nebenfolge in Kauf genommen wird“. Gröhe und Kauder argumentieren ähnlich wie die Bundesärztekammer.

SPD-internes Konzept: Die SPD-Politikerinnen Eva Högl und Kerstin Griese verfolgen einen „Weg der Mitte“. Sie wollen den Ärzten Freiraum in „ethischen Grenzsituationen“ bewahren. Die beiden kommen insgesamt der Mehrheitsposition in der Union relativ nahe.

Grünen-Konzept: Die Grünen-Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe wollen die Beihilfe nicht nur für Angehörige, sondern auch für nahestehende Menschen straflos lassen. Dazu zählen auch Ärzte, falls „deren Handeln Ausdruck eines engen Vertrauens- und Fürsorgeverhältnisses“ ist.

Künast-Konzept: Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast sieht grundsätzlich keinen rechtlichen Änderungsbedarf. Sie wendet sich ausdrücklich gegen ein Verbot von Sterbehilfevereinen, will diese aber streng regulieren. Sie dürfte damit relativ allein dastehen.