Trockene Themen für trockene Typen: Olaf Scholz streitet mit Wolfgang Schäuble über die Finanzen. Aydan Özoguz kümmert sich um Integration. Wird sie auch Ministerin?

Hamburg/Berlin. Diese Gruppendynamik soll künftig Deutschland regieren: Mit einem gewaltigen Aufgebot an Politikerinnen und Politikern soll die nächste Große Koalition von CDU/CSU und SPD in den kommenden Wochen zurechtgezimmert werden. In Rekordstärke werden 75 Topleute in der Hauptgruppe und zwölf Arbeitsgruppen vom Mittwoch an den Koalitionsvertrag für das dritte schwarz-rote Bündnis der Bundesrepublik ausarbeiten. Zu den Arbeitsgruppen mit jeweils 17 Personen kommen noch vier Untergruppen. Insgesamt könnten mehr als 300 Personen verhandeln.

Bis spätestens Ende November soll der Koalitionsvertrag stehen, dann müssten in einem zweiwöchigen Verfahren noch die rund 470.000 SPD-Mitglieder dem Ganzen zustimmen. Und in Deutschlands wichtigster Verhandlungsgruppe steckt eine ganze Menge Hamburg. An erster Stelle Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der bereits Arbeitsminister der Großen Koalition war, Nachfolger von Genosse Franz Müntefering und einer der Architekten der Kurzarbeiter-Lösung mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Dieses Instrument hat damals geholfen, dass Deutschland wirtschaftlich stark blieb, dass es sogar später boomte, während Ländernachbarn die Krise noch nicht bewältigten.

Scholz ist als SPD-Schwergewicht natürlich gesetzt in der Gruppe. Das heißt nicht, dass er auch nach Berlin wechselt. Das hat er für sich zunächst ausgeschlossen. Aber Scholz verhandelt mit dem Schwergewicht der Union, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dem Mann für die Euro-Rettung. Finanzen, Haushalt, Finanzbeziehungen Bund-Länder – das sind die Themen für Schäuble und Scholz. Trockenes Brot für zwei trockene Typen. Aber es sind die wichtigsten Strukturfragen, die Haushaltsfragen, die übergreifenden Themen, die die beiden verantwortlich beackern.

Aber auch eine andere Hamburger Genossin ist Teil der Arbeitsgruppen: In der Unterarbeitsgruppe Integration und Migration wird ihre Sparringspartnerin die bisherige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). Özoguz ist durchaus als Ministerin vorstellbar. Auch wenn noch keine Personalentscheidungen getroffen sind, niemand das Personaltableau auch nur erwähnen will – Özoguz gilt als ministrabel. Ihr Mann Michael Neumann (SPD) ist Hamburger Innensenator. Familiär würde es sicherlich schwer, denn beide haben eine gemeinsame Tochter. Doch für Özoguz ist die letzte Sprosse der Karriereleiter sicher noch nicht erreicht.

Delikat wird es beim Thema Arbeit. Ministerin Ursula von der Leyen misst sich in einer Arbeitsgruppe mit SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Da wird kein Auge trocken bleiben. Schon die Auseinandersetzungen zwischen von der Leyen und Manuela Schwesig (SPD) bei der Hartz-IV-Reform waren legendär.

Krass wird auch die Gruppe Gesundheit und Pflege: Die Bundestagsabgeordneten Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) treffen aufeinander. Der Single aus dem Münsterland und der mehrfache Vater, Medizinprofessor und chronischer Besserwisser aus dem Rheinland, werden ein ungleiches Paar bilden.

Zum Vergleich: 2005 hatte die große Verhandlungsgruppe nur 32 Teilnehmer: je 16 von Union und SPD. Da dieses Mal aber die CDU/CSU mit 41,5 Prozent bei der Bundestagswahl klar vor der SPD (25,7 Prozent) lag, spiegelt sich dies auch in der Besetzung der Verhandlungsgruppen wider – insbesondere die bayerische CSU entsendet mehr Politiker.

Sollten die Verhandlungen ins Stocken geraten, werden sich die drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) unter sechs Augen treffen. Das hatten sie auch während der Sondierung getan und für den Durchbruch gesorgt.