Jetzt sollen Ideen entwickelt werden, wie die Alterung der Bevölkerung und damit der demografische Wandel bewältigt werden können.

Berlin. Die Bundesregierung sucht bis Mai nach ersten Strategien zur Bewältigung des demografischen Wandels: Im Jahr 2060 werden 18 Millionen weniger Menschen in Deutschland leben. Jeder dritte Bundesbürger wird dann 65 Jahre oder älter sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Donnerstag auf dem ersten Demografie-Gipfel ihrer Regierung, auch künftig müsse die Soziale Marktwirtschaft für alle erlebbar sein. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) rief die Bürger zu größtmöglicher Flexibilität auf.

Merkel sagte zur Veränderung des Altersaufbaus: „Der demografische Wandel ist wahrscheinlich neben den Fragen der Globalisierung die größte Veränderung unseres gesellschaftlichen Lebens.“ Aber selbst die Globalisierung sei keine Entwicklung, der man sich willen- und tatenlos fügen müsse. „Sondern wir lernen, oft unter Mühen, sie auch zu gestalten.“ Merkels Fazit lautete: „Wir dürfen uns den Herausforderungen nicht verweigern, wir müssen uns aktiv auf sie einlassen – dann werden sich auch die Chancen zeigen.“

Die Regierung hatte im April erst einmal einen Dialog über das Thema alternde Gesellschaft angestoßen. Merkel sagte, eine Strategie sei mehr als die Summe aller Einzelanstrengungen. Das werde sich auf dem zweiten Demografie-Gipfel 2013 zeigen: „Wir wollen im Mai nächsten Jahres konkrete Antworten haben“, forderte Merkel. Der Dialog gehe aber auch dann weiter.

Innenminister Friedrich sagte: „Wir wollen den demografischen Wandel positiv gestalten. Dafür brauchen wir Mut, Zuversicht und vor allem die Handlungs- und Veränderungsbereitschaft jedes Einzelnen.“ Gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen sowie zahlreichen Vertretern gesellschaftlicher Gruppen sollen in den kommenden Monaten Ideen gesucht werden, wie die Alterung der Bevölkerung bewältigt werden kann.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, ohne Gegenmaßnahmen schrumpfe das Potenzial an Arbeitskräften bis zum Jahr 2025 um bis zu sechs Millionen Menschen. Trotzdem seien junge Erwachsene ohne Berufsabschluss stark von Arbeitslosigkeit bedroht. Ein großes Potenzial sieht die Ministerin bei alleinerziehenden Frauen und Wiedereinsteigerinnen.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, sieht Deutschland vor großen Herausforderungen: „Während die Bevölkerungszahl insgesamt sinkt, steigt der Anteil der Migranten. Schon jetzt kommt nahezu jeder fünfte Einwohner aus einer Zuwandererfamilie.“ Für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sei es von zentraler Bedeutung, auch die Potenziale der Migranten verstärkt zu erschließen.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verwies darauf, dass Demenzkranke und Menschen mit Behinderung nicht nur bessere, sondern auch längere Zuwendung benötigten. Die niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) forderte, für die Pflege müssten Menschen mit Sprachkompetenz und interkulturellem Hintergrund gewonnen werden.

Nach Ansicht der Linksfraktion packt die schwarz-gelbe Koalition die Herausforderung einer alternden Bevölkerung nicht richtig an. „Die Bundesregierung gibt mit der Rente erst ab 67 und dem Betreuungsgeld die falschen Antworten auf den demografischen Wandel“, erklärte die seniorenpolitische Sprecherin Heidrun Dittrich. Nötig seien vielmehr bessere Arbeits- und Lebensbedingungen.

Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) kritisierte: „Mit Papieren, Konferenzen oder Gipfeln allein wird der steigende Anteil Pflegebedürftiger nicht versorgt und die drohende Altersarmut nicht bekämpft.“

Die Senioren-Union der CDU forderte die Einrichtung eines Demografiebeauftragten des Bundestages. Vorbild könnte der Wehrbeauftragte des Parlaments sein, schlug der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, vor. Er regte an, künftig alle Gesetze mit einem Zukunfts-TÜV zu versehen. Jedes einschlägige Gesetz sollte auf seine Auswirkungen für kommende Generationen daraufhin geprüft werden, dass es weder Altersarmut erzeugt noch nachfolgende Generationen unverhältnismäßig belastet.