Der erzkonservative Ryan hat sich als Sparpolitiker im Repräsentantenhaus einen Namen gemacht. Für Romney ist er eine heikle Wahl.

Washington/Norfolk. Der US-Republikaner Mitt Romney will mit dem erzkonservativen Haushaltspolitiker Paul Ryan gegen Präsident Barack Obama antreten und das Staatsdefizit zum herausragenden Wahlkampfthema machen. Der in Umfragen zurückliegende Romney gab am Samstag vor einem ausgemusterten Schlachtschiff in Virginia bekannt, dass der 42-jährige Abgeordnete sein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten wird. Ryan hat sich als Sparpolitiker im Repräsentantenhaus einen Namen gemacht und sich dafür ausgesprochen, Sozialleistungen für alte und arme Menschen zu kürzen. Das Team von Präsident Barack Obama kündigte umgehend an, im Wahlkampf immer wieder auf die Sparvorschläge Ryans hinzuweisen.

+++ Obama und Romney langweilen die Amerikaner +++

Romney stellte seinen Stellvertreter bei einem Wahlkampfauftritt in der Garnisonsstadt Norfolk vor, wo beide vor dem Kriegsschiff aus dem Zweiten Weltkrieg auftraten. Ryan sei ein Vordenker der Republikaner, sagte Romney. Er sei charakterstark und wertorientiert. Ryan sagte mit Blick auf das Staatsdefizit der USA: „Uns läuft die Zeit davon.“ Wenn jetzt nicht gehandelt werde, gebe es schmerzhafte Konsequenzen. Den größten Beifall bekam der Politiker, als er sagte, die Rechte der Bürger leiteten sich von der Natur und Gott ab – und nicht von der Regierung.

Auch wegen seiner Sparvorschläge ist der Abgeordnete aus Wisconsin ein Favorit der erzkonservativen Tea Party der Republikaner. Die Bewegung setzt sich vor allem dafür ein, die Macht der Bundesregierung in Washington zu beschränken, Staatsausgaben zu kürzen und Steuern zu senken. Als Hassobjekt gilt die Gesundheitsreform der Demokraten, mit der die meisten Bürger verpflichtet werden, eine Krankenversicherung abzuschließen. Auch Romney bekräftigte bei dem Auftritt, die Reform zurücknehmen zu wollen. Mit der Wahl Ryans als Kandidat für das Vizepräsidentenamt geht Romney das größte Risiko im Wahlkampf ein. Der frühere Unternehmer ging bisher eher vorsichtig vor. Mit Ryan bietet er nun eine große Angriffsfläche für die Demokraten, die vor allem auf Steuersenkungen für die Mittelschicht und höhere Abgaben für Reiche setzen. Ryans Vorschläge zur Kürzung von Sozialleistungen für alte Menschen könnten den Demokraten etwa in Florida entgegenkommen. Der Südstaat, in dem viele Rentner leben, ist besonders umkämpft und könnte die Wahl entscheiden.

Romneys Team erklärte am Samstag umgehend, dass der Kandidat nicht alle Haushaltsvorschläge Ryans unterstützt. Ein eigenes Konzept zur Sanierung des US-Haushaltes soll noch veröffentlicht werden. Romney fiel zuletzt in Umfragen hinter Obama zurück. Besonders bei den Themen Arbeitsplätze und Wirtschaft trauten die Befragten Obama mehr zu als dem Millionär Romney. Die Republikaner bemühen sich darum, ihr haushaltspolitisches Profil zu schärfen. Sie wollen das Defizit vor allem über eine Verschlankung des Staates und Sparmaßnahmen senken. Ende August soll der 65-jährige Romney auf einem Parteitag in Tampa in Florida zum Kandidaten für die Präsidentenwahl gekürt werden. Obama tritt im November wieder mit dem jetzigen Vizepräsidenten Joe Biden an.

Der erst 42-jährige Ryan sitzt seit 13 Jahren als Abgeordneter im Kongress und ist derzeit Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus. Auch davor arbeitete er in der Washingtoner Politik. Er entwickelte schon früh ein Interesse für die Haushaltspolitik. So sagte er einmal, dass er Budgetentwürfe gelesen habe, seit er 22 gewesen sei. „Ich weiß, dass das ein bisschen krank ist“, scherzte er. Mit dieser Erfahrung könnte Ryan nach einem Sieg der Wahl am 6. November Romney eine wichtige Hilfe bei Auseinandersetzungen mit dem Kongress sein. Romney selbst, der als Unternehmer zum Multimillionär geworden ist, hat dagegen keine Erfahrung in der Washingtoner Politik.

Allerdings kennt sich Ryan in der Außenpolitik wie Romney nicht aus. Der Präsidentschaftskandidat fiel auf Auslandsbesuchen durch Fehltritte auf. Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts hatte in London die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele infrage gestellt. Auch bei der Vorstellung Ryans unterlief Romney am Samstag ein Fehler. „Begrüßen Sie mit mir den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten, Paul Ryan“, rief Romney am Samstag jubelnden Parteianhängern zu. Erst nachdem er von der Bühne abtrat, machte ihn seine Frau auf den Fehler aufmerksam. Daraufhin stürmte Romney wieder auf das Podium und versuchte, das Beste aus der Situation zu machen. „Ich bin bekannt dafür, dass ich immer mal wieder einen Fehler mache. Aber mit diesem Kerl habe ich keinen Fehler gemacht“, sagte er an der Seite Ryans. Dieser werde der nächste Vizepräsident der USA.

Mit Material von Reuters