Zum Auftakt des Prozesses stand die Frage im Mittelpunkt, ob der Ex-SPD-Politiker Tauss Kinderpornografie dienstlich oder privat nutzte.

Karlsruhe. Betont schwungvoll betritt Jörg Tauss den Gerichtssaal, launig begrüßt er einen Saaldiener per Handschlag. „Guten Tag, ich bin hier der Delinquent“, sagt er und steuert dann schnurstracks auf seine beiden Verteidiger zu.

Wie ein armer Sünder will der wegen Kinderporno-Besitzes angeklagte Tauss am Dienstag vor dem Karlsruher Landgericht nicht wirken. „Ich bin der ehemalige Abgeordnete, der auf das Ende dieses Prozesses wartet“, sagt er auf die Frage nach seiner jetzigen Tätigkeit immer noch launig. Dann wird er ernst. Die Staatsanwältin verliest die Anklage.

Sie liest über eine Stunde, der Inhalt jeder einzelnen Datei wird kurz, aber genau beschrieben: „sechs- bis acht Jahre altes männliches Kind (...)“, „zwei bis vier Jahre altes weibliches Kind“, „ein bis zwei Jahre altes Kleinkind (...)“. Undsoweiter. Undsofort. Jede Datei ist eine Abbildung von Details - so widerlich, dass man sie nicht aufschreiben, nicht mal hören mag.

Tauss, im dunklen Anzug, blättert mit durch die umfängliche Liste der Dateien. Konzentriert wirkt er, die Brauen gerunzelt, die randlose Brille nach vorne gerutscht, mitunter im flüsternden Dialog mit seinen beiden Anwälten. Für ihn ist klar: „Ich bin überzeugt, als (damaliger) Abgeordneter berechtigt gewesen zu sein, solches Material zu besitzen“, sagt er zum Vorsitzenden Richter Udo Scholl. „Ich war immer schon mit der Szene befasst.“ Als Internet-Experte und wegen seines ausgewiesenen Interesses am Jugendschutz und der Jugendarbeit sei er automatisch mit der Problematik von Kinderpornografie in Kontakt gekommen. Sein Deckname war „Werner“.

Die Strategie der Verteidigung ist auch klar. Ausnahmsweise darf sie sich im Verfahren positionieren, bevor der Angeklagte zu Wort kommt. „Es geht nicht um die Frage, ob Herr Tauss die Dateien besessen hat“, das sei unstrittig. Tauss nickt heftig. „Es geht darum: Durfte er oder durfte er nicht. Hop oder Top“, sagt sein Karlsruher Strafverteidiger Michael Rosenthal. Abgeordnete seien frei von Weisung. Tauss habe sich als ausgewiesener Internet-Fachmann für die Szene interessiert. „Es kann doch nur darum gehen, dass Herr Tauss sich informieren wollte.“ Tauss nickt noch heftiger.

Das Strafgesetzbuch sagt dazu, dass der Umgang mit kinderpornografischem Material dann straffrei sein kann, wenn Handlungen wie Besitz oder Weitergabe „ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen“. Was das genau ist? Eine Rechtssprechung dazu gebe es nicht, sagt Tauss' Anwalt Michael Rosenthal. „Es ist sehr schwierig zu sagen, wie weit man gehen darf.“ Persönliches Interesse von Tauss in seiner Eigenschaft als Abgeordneter könne aber sehr wohl das Sammeln des Materials rechtfertigen.

Davon will auch Tauss das Gericht überzeugen. Eloquent, mit klarer Stimme beantwortet er die Fragen von Staatsanwältin Stephanie Egerer-Uhrig, fast schon beflissen die von Richter Scholl. „Hohes Gericht“, sagt er, und: „Verehrte Staatsanwältin“. Und er wendet sich wortreich direkt ans Publikum im Schwurgerichtssaal, erklärt seine politische Laufbahn, seine Beweggründe, sein berufliches Interesse, sich mit Kinderpornografie zu beschäftigen. „Ich kann morgens noch in den Spiegel schauen“, beteuert er. Der Richter mahnt ihn, in seine Richtung zu sprechen und Tauss entschuldigt sich. „Ich bin eben Politiker“, sagt er. „Außerdem sitzt meine Frau im Publikum“.