Wie viele Menschen in Tremseh getötet wurden, ist auch nach einem Besuch der UN-Inspekteure in dem syrischen Ort noch unklar. Blutvergießen geht weiter.

Damaskus/Istanbul/Kairo. Bürgerkriegsszenen in Syrien: Beim Sturm auf das Dorf Tremseh hatten die Soldaten nach Angaben der UN-Beobachter wohl vor allem Regimegegner im Visier. "Die Attacke richtete sich offenbar gegen bestimmte Gruppen und Gebäude vor allem von Armee-Deserteuren und Aktivisten“, teilten die Blauhelme am Sonnabendabend nach einer ersten Untersuchung in Tremseh mit. Wie viele Menschen bei den Kämpfen getötet wurden, sei noch unklar. Die Untersuchungen in dem Dorf sollten am Sonntag fortgesetzt werden.

Das syrische Regime wies erneut jegliche Schuld für das Massaker von sich. Oppositionsgruppen hatten erklärt, mehr als 200 Dorfbewohner seien dabei getötet worden. Indessen gingen die Bemühungen um eine diplomatische Lösung des seit 16 Monaten andauernden Konflikts weiter – ohne dass ein Durchbruch absehbar wäre.

Man habe "Blutlachen, Blutspritzer und Patronenhülsen in einer Reihe von Wohnhäusern“ gesehen, hieß es in der Erklärung der UN-Beobachter. Auch eine niedergebrannte Schule und beschädigte Häuser mit Brandspuren seien untersucht worden. Nach Angaben der Inspekteure kam eine Vielzahl von Waffen zum Einsatz, darunter Artillerie, Mörser und Handfeuerwaffen. Die Beobachtermission UNSMIS sei tief beunruhigt über die eskalierende Gewalt in Syrien, hieß es in einer Stellungnahme am späten Samstagabend.

Syrien: Westerwelle sieht Assad in der Verantwortung

"UNSMIS appelliert an die Regierung, auf den Einsatz schwerer Waffen in Wohngebieten zu verzichten und an die (Konflikt-)Parteien, die Waffen niederzulegen und den Weg der Gewaltlosigkeit zu gehen zum Wohle des syrischen Volkes, das genug gelitten hat“, heißt es in der Mitteilung. Damaskus dementierte Angaben, wonach auch Panzer, Artilleriegeschütze und Militärhubschrauber eingesetzt worden seien.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete das Blutbad von Tremseh als "versuchten Völkermord“, wie türkische Medien berichteten. Die Taten seien Beleg dafür, dass das Regime dem Untergang geweiht sei. Das syrische Volk werde sich für diese Verbrechen rächen wollen, warnte er. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle warf dem Assad-Regime vor, einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu führen. Jetzt müsse der UN-Sicherheitsrat dem Regime endlich seine Grenzen aufzeigen, sagte er der "Bild am Sonntag“.

Der Sprecher des syrischen Außenministeriums, Dschihad al-Makdisi, sagte am Sonntag vor der Presse in Damaskus, die Armee habe in dem Dorf am vergangenen Donnerstag 37 Kämpfer getötet. Bei der Operation seien nur zwei Zivilisten ums Leben gekommen. Die Kämpfer der Opposition hätten vor dem Angriff in dem Bezirk Menschen entführt und die Bevölkerung terrorisiert. Regimegegner warfen den Truppen von Präsident Baschar al-Assad dagegen vor, ein Massaker mit mehr als 200 Toten an den Dorfbewohnern verübt zu haben. Das Blutbad hatte international Entsetzen ausgelöst.

Zwei Tage hatten die UN-Vertreter warten müssen, bis sie Tremseh inspizieren konnten. Mit elf Fahrzeugen fuhren die militärischen und zivilen Beobachter am Sonnabend in das Dorf rund 25 Kilometer nordwestlich von Hama. "Das Team hat Fotos von bombardierten Häusern gemacht und Granatsplitter gesammelt, um herauszufinden, mit welchen Waffen das Regime gegen Zivilisten vorgegangen ist“, sagte ein Aktivist.

Auf Bildern und in Videos im Internet war zu sehen, wie Menschen den Beobachtern blutgetränkte Kleidung und Überreste von Granaten zeigten. "Das sind russische Waffen“, rief ein wütender Mann. Russland ist der wichtigste Verbündete und Waffenlieferant von Machthaber Assad.

Der Syrien-Sondervermittler Kofi Annan will nach Bagdad und Teheran nun Moskau besuchen, wo an diesem Montag ein Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow und am Dienstag ein Begegnung mit Kremlchef Wladimir Putin geplant ist. Dabei werde Russland seine Unterstützung für den Annan-Friedensplan bekräftigen, teilte der Kreml mit. "Die russische Seite ist der Ansicht, dass der Plan die einzige realisierbare Grundlage für die Lösung der innersyrischen Probleme ist.“

Im UN-Sicherheitsrat blockierte die Veto-Macht Russland bislang jede Resolution, die ein schärferes Vorgehen gegen Damaskus ermöglichen würde. Annan war zuletzt Ende März in Moskau. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen rieten die USA den arabischen Golfstaaten, den wirtschaftlichen Druck auf Moskau zu erhöhen, um ein Einlenken Russlands im Syrien-Konflikt zu erreichen.

Teheran bot sich als Vermittler und Gastgeber von Friedensgesprächen zwischen dem syrischen Regime und der Opposition an. "Der Iran ist bereit, die syrische Opposition für Gespräche nach Teheran einzuladen und auch dafür, Gespräche zwischen ihr (der Opposition) und der syrischen Regierung vorzubereiten“, sagte Außenminister Ali Akbar Salehi laut Nachrichtenagentur Isna. Der Iran unterstütze Annans Friedensplan, allerdings nur, wenn Assad an der Macht bleibe. Dies gilt jedoch als größtes Hemmnis für eine Einigung mit der Opposition.

Das Blutvergießen in Syrien geht derweil unvermindert weiter, nach Angaben der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter kamen allein am Wochenende etwa 200 Menschen ums Leben. Am Sonnabend wurden demnach 133 Menschen getötet, darunter 77 Zivilisten. Am Sonntag gab es nach diesen Angaben mehr als 60 Tote. In mehreren Vierteln der Hauptstadt Damaskus soll es am Sonntag Razzien und Schüsse auf Regimegegner gegeben haben, wie Aktivisten berichteten. Demnach konzentrierten sich die Operationen der Regierungstruppen auf die Viertel Al-Tadhamun und Kabr Atika. Heftige Gefechte wurden aus der Provinz Deir as-Saur gemeldet. Drei Erwachsene und ein Kind seien ums Leben gekommen, als eine Granate ihr Haus in Al-Rastan bei Homs traf.