Bei seinem Besuch in Nippon nahm sich der Bundespräsident Zeit für die japanische Kultur. Wie Wulff in Japan eine Woche lang “Brücken“ baute.

Naruto. Vor dem Deutschen Haus in Naruto wartet am Donnerstag der Chor des Kindergartens Yutaka Hoikuen auf den Bundespräsidenten. Die Dreijährigen tragen weiße Mützen auf dem Kopf und schmettern "Freude schöner Götterfunken“ - auf Deutsch. Ein herzzerreißender Moment. Christian Wulff ist angetan. "Ein sehr schwieriges Lied, ein sehr schwieriger Text und so wunderbar gesungen“. Naruto sei für ihn "ein Stück Heimat“, sagt das Staatsoberhaupt. Dann lässt er sich mit den Kindern fotografieren: "Das glaubt uns sonst in Deutschland keiner.“

Zurzeit des Ersten Weltkriegs stand in der südwestjapanischen Stadt das Lager Bando. Dort führten deutsche Soldaten, die in der deutschen Kolonie Tsingtau in China in Gefangenschaft geraten waren, am 1. Juni 1918 erstmals Ludwig von Beethovens neunte Symphonie in Ostasien auf. Heute kennt die "Ode an die Freude“ in Japan jedes Kind. Eine Geschichte, die Wulff begeistert: „Wenn aus Feinden Freunde werden.“

Eine "Lücke“ für das Staatsoberhaupt

Schon als niedersächsischer Ministerpräsident hatte Wulff zweimal Naruto besucht und Partnerschaften eingefädelt. Das in den 70er-Jahren errichtete Deutsche Haus sieht aus wie das Rathaus von Lüneburg. Auf seiner knapp eine Woche dauernden Japan-Reise outete sich Wulff nun gleich mehrfach als Fan des asiatischen Landes. Er habe sich schon „vor vielen Jahren faszinieren lassen von dem Fleiß, von dem Engagement für neue Technik und der Freundlichkeit der Menschen“.

Diesmal war Wulff als Bundespräsident bei Kaiser Akihito, in der Katastrophenregion Fukushima im Norden des Landes und auch in der alten Kaiserstadt Kyoto zu Besuch. Als Außenpolitiker könne er sich eben - anders als die Mitglieder der Bundesregierung – aus der Tageshektik heraushalten und ausreichend Zeit dafür nehmen, "Brücken zu bauen“, betonte Wulff in Tokio. "Das Staatsoberhaupt füllt hier eine Lücke“, fügte er zufrieden hinzu. Im vom Atomunglück gebeutelten Japan hätte man von Wulff pointierte Aussagen zur Energiewende erwarten können.

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Aber das war seine Sache nicht. "In kaum einem Land der Welt muss man so darauf achten, dass man nicht belehrend auftritt, sondern mit Respekt“, erläuterte der Bundespräsident. So versuchte Wulff den skeptischen Gastgebern, den deutschen Atomausstieg als "Jahrhundertprojekt“ zu erklären. Auch war er bemüht, dem schwer verschuldeten Land die Angst vor der Euro-Krise zu nehmen. Bislang habe die EU schließlich noch alle ihre Krisen gemeistert.

"Die Japaner sind empathisch“, weiß Wulff und deswegen nutzte er auf der Reise jede Gelegenheit, um eine emotionale Beziehung zu den Gastgebern aufzubauen. Im Ise-Schrein erwies der Katholik den Göttern des Schintoismus seine Ehrererbietung. Wie es Japans Nationalreligion gebietet, verneigte er sich zweimal, klatschte zweimal in die Hände und verneigte sich dann noch einmal, um seinen Respekt zu bekunden. Wulffs "Brücke“ war gebaut.

"Wulff passt zu Japan“

Immer wieder ließ sich der Bundespräsident mit Kindern, Liebespaaren, Popmusikern oder auch Bahnhofsvorständen fotografieren. Nur einmal wäre Wulff nach eigener Aussage gern alleine, ohne die Presse, unterwegs gewesen, bei seiner "schwierigsten Begegnung“ in Japan, dem Treffen mit den Evakuierten in der Unglücksregion Fukushima, wollte er doch jeden Eindruck von "Katastrophentourismus“ vermeiden. "Wulff passt zu Japan“, fasste ein Delegationsmitglied seine Eindrücke zusammen. Etwas spröde eben, aber überaus höflich, grundsätzlich konservativ und doch aufgeschlossen für Modernes.

Auch die mitgereisten Unternehmer aus der Umwelt- und Energiebranche ließen sich kein kritisches Wort über den Bundespräsidenten entlocken. Wulff habe "die Herzen der Japaner erreicht“, konstatierte der SECO-Vorstandsvorsitzende Hanns-Henning Krüger, dessen Handelsfirma schon seit 160 Jahren in Japan tätig ist: "Und das ist das Entscheidende.“