Bis Ende Oktober soll ein “Gesamtpaket“ zur Lösung der Finanzkrise vorliegen, betonten Kanzlerin Angela Merkel und Nicolas Sarkozy in Berlin.

Berlin. Nun ist die Krise wieder dort angekommen, wo sie vor drei Jahren ausbrach: im Finanzsektor. Quer durch Europa prüfen Regierungen, wie sie ihre Banken stützen können. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben gestern Abend über das heikle Thema gesprochen. Bereits beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober soll ein Rahmenplan stehen, wie die europäischen Banken mit neuem Kapital gegen die Folgen der Euro-Krise geschützt werden können. Möglicherweise wird es auch eine europaweite gesetzliche Vorschrift geben, die den Banken Mindestgrenzen beim Eigenkapital vorschreibt.

Bis Ende Oktober wollen Deutschland und Frankreich dann ein "Gesamtpaket" zur Lösung der Euro-Schuldenkrise und zur Stützung von Europas Banken vorlegen. Das machten Bundeskanzlerin Merkel und Sarkozy nach ihrem Treffen in Berlin deutlich. Diese dauerhafte Lösung solle dann auf dem G20-Gipfel im französischen Cannes Anfang November präsentiert werden - zusammen mit einer neuen Vision für Europa, wie Sarkozy betonte.

Merkel sagte, beide Länder seien sich ihrer Verpflichtung bewusst und entschlossen, das Nötige zu tun, um die Rekapitalisierung der Banken sicherzustellen. Auch Sarkozy betonte, er sei sich bei möglichen Finanzspritzen für Banken mit Merkel "völlig einig". Auch über den EFSF gebe es keinen Streit. Deutschland und Frankreich wollen nach den Worten Merkels bei einer Rekapitalisierung gleiche Kriterien für alle Institute. Nach den europäischen Stresstests der Branche war Kritik laut geworden, dass die Kriterien zu lasch angesetzt worden seien und damit kein zuverlässiges Bild für den Krisenfall ergeben hätten.

Beide unterstrichen, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben soll. Merkel und Sarkozy zeigten sich zuversichtlich, dass die Slowakei morgen dem erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF zustimmen wird und der Fonds rasch voll einsatzbereit ist.

Hintergrund der neuen Aktivitäten zur Bankenrettung sind Sorgen, dass einige europäische Finanzinstitute die Auswirkungen der Schuldenkrise nicht aushalten könnten. Die Banken haben massenweise Staatsanleihen von Ländern wie Griechenland, Portugal, Spanien und Italien in ihren Büchern. Diese Anleihen hatten zuletzt stark an Wert verloren, weil die Bonität der hoch verschuldeten Staaten herabgestuft wurde. Ernsthafte Probleme drohen, wenn es demnächst zu einem Schuldenschnitt in Griechenland kommen würde. Dann wäre klar, dass Banken und Versicherungen nur noch einen Teil des Geldes wiederbekommen, das sie Athen geliehen haben. Sie müssten ihre griechischen Anleihen abschreiben. Folge könnte eine Schieflage vieler Finanzhäuser sein.

+++ Schäuble wirbt weiter für politische Union Europas +++

+++ Die neue Griechenland-Strategie des Philipp Rösler +++

Dieses Szenario sorgt schon jetzt für Unruhe in der Branche, die Banken misstrauen sich gegenseitig. Rating-Agenturen hatten am Wochenende die Bonität europäischer Banken herabgestuft. Experten riefen die Regierungen deshalb zu schnellem Handeln auf. Vor allem Weltbank-Präsident Robert Zoellick kritisierte das Fehlen einer klaren Linie in Europa. "Vieles in der Politik geschieht in der Art des Durchwurstelns, aber die Wirtschaft und die Märkte brauchen Orientierung und Klarheit", sagte er der "Wirtschaftswoche".

Die europäischen Staats- und Regierungschefs wollen die Finanzinstitute zu einer Prophylaxe verpflichten. Sie sollen ausreichend Kapital vorhalten, damit sie notfalls auch eine Pleite eines Landes verkraften können. Seit Wochen kursieren Zahlen, wie viel frisches Kapital die europäischen Banken dafür brauchen, sie schwanken zwischen 100 und 300 Milliarden Euro. Die Finanzminister haben die Europäische Bankenaufsicht (EBA) beauftragt, für verschiedene Szenarien Zahlen zu errechnen. "Wir müssen sicherstellen, dass die Banken mit hinreichend Kapital ausgestattet sind", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Ansteckungseffekte" sollten verhindert werden.

Bisher war das Thema Rekapitalisierung offiziell nicht für den EU-Gipfel Mitte Oktober vorgesehen. Allerdings geht man in der Bundesregierung davon aus, dass es noch auf die Agenda kommt. Doch über den richtigen Weg, wie man die Banken besser ausstatten will, herrscht in Europa noch keine Einigkeit. Man könnte die Finanzhäuser verpflichten, am Kapitalmarkt neues Geld aufzunehmen. Doch wenn das nicht in ausreichendem Maße gelingt, müssten die Staaten einspringen - wie einst schon in der Finanzkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers. Das Problem: Viele Staaten können sich solche Hilfsaktionen nicht mehr leisten, sie ächzten selbst unter hohen Schulden. Dann könnte auch der Euro-Rettungsschirm EFSF genutzt werden. Doch das ist umstritten.

Für Aufregung hatten Berichte gesorgt, dass Frankreich ebenfalls den EFSF nutzen will, um seine Banken auf einen griechischen Schuldenschnitt vorzubereiten. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach sich in "Bild am Sonntag" dagegen aus, dass der Fonds gefährdete Banken direkt unterstützt. Nach Ansicht des finanzpolitischen Sprechers der Unions-Fraktion, Klaus-Peter Flosbach, sind die Banken selbst dafür verantwortlich, sich ausreichend Kapital zu beschaffen. "Wenn sie dies nicht tun, werden wir die Daumenschrauben weiter anziehen." Er halte es aber für falsch, in diesem Zusammenhang den EFSF zu nennen. Dieser habe andere Aufgaben.

Auch SPD-Fraktionsvize Joachim Poß misst der Rekapitalisierung der Banken höchste Priorität bei. Er verteidigte die Position der Bundesregierung, dass die Banken dabei zunächst selbst versuchen müssten, ihr Eigenkapital aufzustocken. Sollte dies nicht gelingen, müssten die Nationalstaaten helfen. Nur falls diese dazu nicht in der Lage seien, solle der reformierte EFSF eingesetzt werden.

Unklar ist aber, für welche Banken eine Kapitalspritze vorgesehen werden sollte. Es gibt Überlegungen, nur ganz große Institute zu stützen, deren Zusammenbruch das ganze Finanzsystem in Wanken bringen könnte. Poß sprach sich hingegen dafür aus, dass eine Rekapitalisierung notfalls für alle Banken gelten sollte. "Und wenn es zu staatlichen Hilfen kommt, dann muss es auch entsprechende staatliche Beteiligungen an den Banken geben."