Präsident Abbas hat trotz aller Warnungen und Drohungen Israels den Antrag auf Vollmitgliedschaft eines Staates Palästina bei der Uno eingereicht.

Tel Aviv/Ramallah/New York/Berlin/Kairo. Die Palästinenser schreiben UN-Geschichte: Präsident Mahmud Abbas hat trotz aller Warnungen und Drohungen Israels und der USA am Freitag in New York bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Antrag auf Vollmitgliedschaft eines Staates Palästina bei den Vereinten Nationen eingereicht.

Abbas wurde anschließend in der Vollversammlung mit langem Applaus der Delegierten begrüßt. Er bezeichnete den israelischen Siedlungsbau als Haupthindernis für einen Frieden. Die Palästinenser lehnten Gewalt und Terrorismus ab, versicherte er.

Abbas erklärte sich auch zur Fortsetzung von Friedensgesprächen mit Israel bereit – allerdings nur unter Bedingungen. Israel müsse den Ausbau von Siedlungen stoppen. Außerdem müsse es einen Zeitplan und Eckpunkte für Verhandlungen geben, sagte Abbas. Diese Vorbedingungen der Palästinenser hatte Israel bereits in der Vergangenheit abgelehnt.

Abbas forderte in einer sehr engagierten Rede die Mitglieder der Vereinten Nationen auf, die Palästinenser in ihre Reihen als Vollmitglied aufzunehmen. „Die Zeit für einen palästinensischen Frühling mit einer Unabhängigkeit der Palästinenser ist angebrochen“, sagte Abbas. Die Palästinenser wollten einen Staat mit Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheit für alle Menschen. „Die Zeit ist gekommen für meine tapferen und stolzen Menschen, dass sie wie jeder andere auf der Welt leben können – in einer freien Heimat.“

+++ Palästinenser erinnern Obama an Versprechen +++

Die Palästinenser wären das 194. Mitglied der Vereinten Nationen. Allerdings ist der Antrag mehr symbolisch, weil er keine Chancen hat, angenommen zu werden. Die USA haben bereits ihr Veto im UN-Sicherheitsrat angekündigt. Darüber hinaus kann es Wochen und Monate dauern, bevor der Weltsicherheitsrat über den Antrag überhaupt abstimmt. Abbas wollte jedoch ein Zeichen setzen. Die Palästinenser sind nach zwei Jahrzehnten fruchtloser Friedensbemühungen frustriert und wollen mit dem Vorstoß neue Bewegung in Nahost bewirken.

Israels Regierungssprecher Mark Regev hatte am Freitag in einem Interview mit dem arabischen Sender Al-Dschasira noch einmal betont, dass Israel zur Wiederaufnahme der seit einem Jahr unterbrochenen Friedensgespräche ohne Vorbedingungen bereit sei. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollten am Freitagabend während der UN-Generaldebatte um Zustimmung für seine Position werben.

Außenminister Guido Westerwelle warnte vor einer neuen Welle der Gewalt im Nahen Osten als Folge des palästinensischen UN-Antrages. Jede Eskalation müsse vermieden werden, sagte Westerwelle am Rande der UN-Generalversammlung. „Der Weg zum Frieden und zu einer gerechten Zwei-Staaten-Lösung führt über Verhandlungen, Deutschland bemüht sich nach Kräften, dass die EU in dieser Frage geschlossen handelt.“

Westerwelle plädierte wie zuvor der französische Präsident Nicolas Sarkozy auch für einen konkreten Zeitplan, der zu neuen Friedensverhandlungen führen soll. Sarkozy war mit einem ehrgeizigen Plan vorgeprescht, wonach Israel und die Palästinenser binnen eines Jahres ein Friedensabkommen schließen.

Bei Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und Demonstranten im Westjordanland wurde am Freitag ein Palästinenser getötet. Der 33-Jährige sei in der Nähe von Nablus erschossen worden, sagte ein Sprecher der palästinensischen Sicherheitskräfte. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, der Bericht werde geprüft.

In Ramallah im Westjordanland herrschte am Freitag Volksfeststimmung. Während der Rede von Abbas brandete mehrfach Jubel auf. Mehr als 80 Prozent der Palästinenser unterstützen nach einer Umfrage Präsident Abbas und dessen UN-Initiative. Abbas hatte am Freitag in New York bekräftigt, dass er sich dem großen Druck nicht beugen und den Antrag einreichen werde.

Etwa 22 000 Sicherheitskräfte seien im Einsatz, um auf mögliche Unruhen reagieren zu können, sagte der israelische Polizeisprecher Mickey Rosenfeld. Schwerpunkt seien dabei das Westjordanland und der arabische Ostteil Jerusalems. „Wir hoffen, dass Demonstrationen friedlich verlaufen“, sagte Rosenfeld. Die US-Botschaft in Beirut warnte auch vor gewalttätigen Unruhen im Libanon, wo viele palästinensische Flüchtlinge leben.

Wütende Palästinenser hatten am Vortag in Ramallah Bilder von US-Präsident Barack Obama nach dessen israelfreundlicher UN-Rede verbrannt.

Tausende Palästinenser feiern Antrag auf UN-Mitgliedschaft

Mit Freudentänzen und Hupkonzerten haben Tausende Palästinenser am Freitag den historischen Antrag auf eine UN-Vollmitgliedschaft Palästinas gefeiert. Sie versammelten sich vor Großleinwänden auf öffentlichen Plätzen und brachen in Jubel aus, als Präsident Mahmud Abbas in New York offiziell den Antrag auf Anerkennung seines Landes bei den Vereinten Nationen einreichte. Zu einer der größten Feiern kam es in der Innenstadt von Ramallah, wo sich Tausende Menschen mit Flaggen und Trillerpfeifen versammelten.

„Ich gebe dem Präsidenten (Abbas) recht“, sagte der 36-jährige Arzt Muajad Taha, der die Übertragung aus New York zusammen mit seinen beiden sieben und zehn Jahre alten Kindern verfolgte. „Nach dem Scheitern aller Versuche (Unabhängigkeit zu erreichen) sind wir in einem Zustand der Verzweiflung angekommen. Dies ist ein guter Versuch, der palästinensischen Sache und dem palästinensischen Volk zu neuem Ansehen zu verhelfen. Jeder ist hier, um sich hinter die Führung zu stellen.“

Benjamin Natanjahu bekräftigt Willen zum Frieden

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung am Freitag seinen Willen zum Frieden im Nahen Osten bekräftigt. Er reiche allen Nachbarn Israels wie Ägypten, Jordanien und der Türkei seine Hand zum Frieden, „aber ganz besonders dem palästinensischen Volk, mit dem wir einen gerechten und andauernden Frieden anstreben“, sagte Netanjahu.

Die Palästinenser „sollten in ihrem eigenen freien Staat leben, aber sie sollten auch bereit sein für Kompromisse“ und „anfangen, die israelischen Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen“, sagte Netanjahu. Sein Land sei „bereit, schmerzhafte Kompromisse einzugehen“.

Zugleich forderte er die Staaten jedoch auf, dem palästinensischen Antrag auf eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen nicht zu entsprechen. „Die Palästinenser wollen einen eigenen Staat ohne Frieden“, sagte Netanjahu. „Das ist aber nicht möglich.“ Ein besetztes Gebiet zu verlassen, vergrößere die Gefahr eines „militanten islamistischen Sturms“, sagte Netanjahu.