Die Libyen-Konferenz in Paris ist zu Ende gegangen. Deutschland darf eine Milliarde Euro bislang eingefrorener Gelder auszahlen.

Tripolis/Berlin/London. An diesem Donnerstag fand in Paris die erste große Libyen-Konferenz unter neuen Vorzeichen statt: Wie soll die internationale Gemeinschaft mit den Rebellen umgehen, wie den Aufbau eines neuen politischen Systems unterstützen? Derweil geht in Libyen selbst die Suche nach Machthaber Muammar al-Gaddafi weiter. Hier der Live-Ticker von abendblatt.de:

21.34 Uhr: Deutschland darf Libyen eine Milliarde Euro aus bislang eingefrorenen Geldern des Regimes von Muammar al-Gaddafi zur Verfügung stellen. Die Vereinten Nationen hätten die Gelder freigegeben, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstagabend nach der Libyen-Konferenz in Paris.

20.57 Uhr: Libysche Rebellen melden die Festnahme von Gaddafis Außenminister, geben aber keine Details bekannt.

19.08 Uhr: Der arabische Nachrichtensender "al-Arabyia" meldet, der libysche Ministerpräsident Al-Baghdadi al-Mahmudi unterstütze nun die Rebellen.

18.31 Uhr: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schlägt vor, eine UN-Truppe nach Libyen zu schicken: „Ich werde eng mit dem Sicherheitsrat zusammenarbeiten, um ein Mandat für eine UN-Mission zu entwerfen. Der Einsatz sollte so bald wie möglich beginnen“, sagte Ban in Paris. Details zu Umfang und Aufgaben nannte er zunächst nicht. Ban warnte zugleich vor allzu starker Einflussnahme ausländischer Staaten. „Die Zukunft des Landes muss in der Hand der Libyer liegen“, betonte er.

17.29 Uhr: Die Libyen-Konferenz in Paris beginnt. Zahlreiche Staats- und Regierungschef sind zusammengekommen, darunter auch Kanzlerin Angela Merkel.

16.45 Uhr: Der syrische Fernsehsender al Rai TV zitiert Muammar al Gaddafi mit den Worten: „Wir werden nicht aufgeben. Wir sind keine Frauen, wir werden weiter kämpfen." Ihm ergebene Stämme seien bewaffnet und würden sich nicht ergeben.

16.13 Uhr: Der katholische Bischof in Tripolis, Giovanni Martinelli, hat davor gewarnt, den Kampf gegen Gaddafi vorschnell als gewonnen zu betrachten. Man dürfe sich nicht der Illusion hingegeben, dass der Krieg schon beendet sei, sagte Martinelli dem Pressedienst „asianews“. Durch seine Anwesenheit im Land könne Gaddafi dessen Schicksal auch weiterhin bestimmen.

15.06 Uhr: Die Rebellen haben nach einem Bericht des britischen Senders BBC das Ultimatum gegen die Gaddafi-Truppen in Sirte um eine Woche verlängert. Damit haben die letzten Gaddafi-Getreuen in der rund 75.000 Einwohner zählenden Stadt Sirte bis Sonnabend kommender Woche Zeit, sich zu ergeben.

14.59 Uhr: In der Hauptstadt Tripolis sind nach Einschätzung der Europäischen Union mindestens 400.000 Menschen auf Hilfe angewiesen. Die für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva sagte, die Probleme seien akut. Die Situation könne sich verschlechtern, falls die Kämpfe wieder aufflammten. Ein großes Problem sei, dass Pflegekräfte fehlten, weil die ausländischen Arbeiter aus dem Land geflohen seien. Georgieva forderte den Nationalen Übergangsrat auf, stärker darauf zu achten, dass es nicht zu Angriffen auf Migranten aus dem südlichen Afrika komme.

14.37 Uhr: Der untergetauchte Gaddafi hatte offenbar die Absicht, nach Algerien zu fliehen. Gaddafi habe Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika telefonisch um eine Einreiseerlaubnis bitten wollen, berichtete die algerische Zeitung „El Watan“. Allerdings habe der Präsident die Annahme des Telefonats verweigert, schrieb das Blatt unter Berufung auf Kreise des Präsidialamtes. „Ein Berater des Präsidenten habe ihn entschuldigt und darauf verwiesen, dass er mit Angelegenheiten Algeriens beschäftigt sei“, zitierte die Zeitung den Informanten. Unklar blieb, wann Gaddafi angerufen haben soll. Algerien, dass den Nationalen Übergangsrat als einziges nordafrikanisches Land noch nicht anerkannt hat, hatte am Montag bekannt gegeben, dass es Gaddafis Frau, seine Tochter und zwei seiner Söhne aufgenommen habe.

14.23 Uhr: Simbabwe hält weiter an seinen engen Beziehungen zu Gaddafi fest. Die Regierung wies libysche Diplomaten aus, die zum Nationalen Übergangsrat der Rebellen überliefen. Ihnen wurde 72 Stunden Zeit gegeben, das Land zu verlassen.

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13.46 Uhr: Die Europäische Union hebt ihre Sanktionen gegen Libyen teilweise auf. 28 Unternehmen oder Behörden werden von der Sanktionsliste genommen. Darunter sind sechs Hafengesellschaften, mehrere Banken und Öl- und Gasunternehmen. Das berichteten EU-Diplomaten nach einem Beschluss der 27 Mitgliedstaaten. Es sei ein wichtiges politisches Signal unmittelbar vor Beginn der internationalen Unterstützungskonferenz in Paris.

13.10 Uhr: Südafrikas Präsident Jacob Zuma boykottiert die Libyenkonferenz in Paris und hat seine Kritik am Nato-Militäreinsatz erneuert. Bei seinem Staatsbesuch in Norwegen bestätigte Zuma nach Angaben der Nachrichtenagentur NTB, dass er die Einladung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu dem Treffen ausgeschlagen habe.

13.50 Uhr: Der gestürzte libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi hält sich nach Informationen des regierenden Übergangsrats derzeit in der Wüstenstadt Bani Walid auf. Dies habe ihnen eine vertrauenswürdige Person mitgeteilt, sagte der Militärkoordinator des Übergangsrates in Tripolis, Abdel Madschid, der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag.

12.21 Uhr: Der Energiekonzern RWE will mit seiner Ölfördertochter Dea in den kommenden Monaten die Arbeit in Libyen wieder aufnehmen. „Wir hoffen, in diesem Jahr nach Libyen zurückkehren zu können“, sagte RWE-Dea-Chef Thomas Rappuhn der Nachrichtenagentur Reuters. Oberste Priorität habe aber die Sicherheit der Mitarbeiter. „Wir beobachten die Lage.“ Der Konzern hatte wegen der Kämpfe zwischen den Rebellen und den Truppen des Gaddafi-Regimes Ende Februar die etwa 100 Mitarbeiter, davon die meisten Libyer, aus seiner Niederlassung in Tripolis abgezogen. „Wir haben noch keinen Kontakt zum Übergangsrat“, sagte der Manager.

12.08 Uhr: Ein Bündnis aus Friedensorganisationen hat Strafanzeige gegen den Waffenhersteller Heckler und Koch gestellt. Die Lieferung von G-36 Gewehren nach Libyen verstoße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und sei Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit, erklärte die Kampagnensprecherin und Pax-Christi-Geschäftsführerin Christine Hoffmann. Die Bundesregierung stehe in der Pflicht aufzuklären, auf welchem Wege und mit welcher Erlaubnis die Waffen in das Krisengebiet gelangt seien.

11.56 Uhr: Mit neuen Luftangriffen hält die Nato den Druck auf die letzten Gaddafi-Hochburgen aufrecht. Am Mittwoch zerstörten Kampfflieger der Militärallianz in der Nähe von Sirte eine Kommandozentrale und mehrere Raketenstellungen, wie die Nato jetzt meldete. Insgesamt flog die Nato nach eigenen Angaben binnen 24 Stunden 34 Kampfeinsätze.

11.11 Uhr: Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle fordert die rasche Freigabe eingefrorener Gaddafi-Guthaben. Das im Rahmen der internationalen Sanktionspolitik festgesetzte Geld gehöre dem libyschen Volk und müsse vollständig „entfroren“ werden, sagte Westerwelle am Rande einer FDP-Fraktionsklausur in Bergisch-Gladbach. Dafür mache sich Deutschland bei den Vereinten Nationen stark. In der Bundesrepublik lägen allein 7,3 Milliarden Euro an eingefrorenen libyschen Geldern. Die Milliardenbeträge könnten beim wirtschaftlichen Aufbau wie auch bei der Errichtung einer medizinischen Infrastruktur helfen. Zur Debatte über die Teilnahme der Bundeswehr an einem Stabilisierungseinsatz sagte Westerwelle, solche Überlegungen seien vom Übergangsrat zurückgewiesen worden.

10.26 Uhr: Die Rebellen haben nach eigenen Angaben den Außenminister des Gaddafi-Regimes gefangen genommen. Ein Berater im Innenministerium der Übergangsregierung, Ahmed Said, bestätigte die Festnahme. Vor einer Woche hatte Außenminister Abdul Ati al-Obeidi im britischen Sender Channel 4 erklärt, die Herrschaft Gaddafis sei vorüber.

8.57 Uhr: Kurz vor der Pariser Libyenkonferenz hat auch Russland die Übergangsregierung anerkannt und den Gaddafi-Gegnern die Zusammenarbeit angeboten. Die Führung in Moskau erwarte, dass alle zwischen Russland und Libyen bestehenden Verträge und Verpflichtungen von den neuen Machthabern in Tripolis erfüllt würden. Das teilte das Außenministerium in Moskau mit. Zugleich äußerte Russland die Hoffnung, dass der nationale Übergangsrat die Reformpläne, die auch eine neue Verfassung und Wahlen vorsehen, umsetzt. Russland hatte als Vetomacht im Weltsicherheitsrat letztlich durch Enthaltung den Weg für den westlichen Militäreinsatz in Libyen freigemacht. Beide Länder unterhalten seit 1955 diplomatische Beziehungen. Libyen war unter Gaddafi Großabnehmer für russische Waffengüter.

8.23 Uhr: Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat sich der breiten Kritik an der deutschen Libyen-Politik angeschlossen. „Deutschland ist bei internationalen Fragen in der Regel immer gut beraten gewesen, an der Seite der Verbündeten USA, Großbritannien und Frankreich zu stehen“, sagte McAllister der „Neuen Presse“ in Hannover. In der Libyen-Frage hätte er sich daher ein anderes Votum gewünscht. Indirekt kritisierte der niedersächsische Regierungschef auch Altkanzler Helmut Kohl (CDU), der die Außen- und Europapolitik der Bundesregierung als wenig verlässlich bezeichnet hatte. „Der Respekt vor der Lebensleistung von Helmut Kohl gebietet es, seine Kritik ernst zu nehmen und eingehend zu prüfen. Seine pauschale Kritik an der Außen- und Europapolitik der Bundesregierung teile ich nicht“, sagte McAllister.

Aus dem Umfeld und der Familie des untergetauchten Machthabers Muammar al-Gaddafi kommen widersprüchliche Signale. Gaddafis Sohn Saif al-Islam forderte seine Landsleute im Fernsehen zum Widerstand gegen die Rebellen und den Nationalen Übergangsrat auf. Seinem Vater gehe es gut, der Sieg sei nahe, erklärte er in dem von Syrien kontrollierten Satelliten-Sender Arrai. Dagegen berichtete ein anderer Gaddafi-Sohn im Sender al-Arabija, er habe Kontakt zum Nationalen Übergangsrat aufgenommen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Er habe mit Erlaubnis seines Vaters gehandelt, sagte Saadi Gaddafi. Ein Kommandeur der Rebellen erklärte, Saadi wolle unter Garantie der eigenen Sicherheit die Seiten wechseln.

Der bekanntere Gaddafi-Sohn Saif al-Islam drängte dagegen die Anhänger seines Vaters, den Rebellen und den Nato-Truppen mit einem Zermürbungskrieg zu trotzen. Er warnte die Truppen des Nationalen Übergangsrates vor einem Einmarsch in Gaddafis Heimatstadt Sirte. Rund 20.000 bewaffnete Jugendliche stünden dort bereit, um die Angreifer zurückzuschlagen, sagte er.

Über die Pläne seines Bruders Saadi herrschte Unklarheit. Der US-Fernsehsender CNN hatte vor den eher friedfertigen Äußerungen Saadis auf al-Arabija berichtet, Saadi habe Pläne zur Aufgabe dementiert. Ein Kommandeur der Anti-Gaddafi-Einheiten sagte aber bei al-Dschasira, Saadi sei bereit, sich zu ergeben. Er wolle sich der Bewegung anschließen, die seinen Vater gestürzt hatte. Der für Tripolis zuständige Kommandeur Abdel Hakim Belhadsch kündigte an, er wolle Saadis Angebot annehmen.

Unmittelbar nach der Einnahme von Tripolis durch die Rebellen war berichtet worden, Gaddafis dritter Sohn Saadi sei gefangen genommen worden. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass der Geschäftsmann und ehemalige Fußballspieler auf freiem Fuß ist – wie die übrige Familie des Machthabers.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat derweil bei der Lieferung deutscher G36-Sturmgewehre nach Libyen keine aktive Rolle gespielt. Das sagte ein Augenzeuge der Ausbildung von Spezialeinheiten Gaddafis durch deutsche Sicherheitskräfte den „Stuttgarter Nachrichten“. Er versicherte der Zeitung an Eides statt: „Ich habe trotz intensiver Recherchen Mitte der 2000er-Jahre vor Ort keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass der BND an Lieferungen von G36-Gewehren nach Libyen beteiligt gewesen ist oder diese initiiert hat.“ Der Mann hielt sich laut Zeitung damals über einen längeren Zeitraum in dem nordafrikanischen Land auf. Er hatte nach eigener Aussage bereits im Sommer 2005 bemerkt, dass libysche Sicherheitskräfte mit der bei Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar (Baden-Württemberg) hergestellten Waffe ausgestattet waren. (rtr/dpa/dapd/abendblatt.de)