Die Sprache der Diplomaten ist höflich, doch die Stimmung gespannt: Die Toten von Syrien haben im UN-Sicherheitsrat alte Gräben vertieft. Russen und Chinesen verhindern eine Resolution gegen das Regime in Damaskus, jetzt wird nach einer Lösung gesucht, die niemandem wehtut.

New York. Hama ist immer wieder durch die Massaker des Assad-Regimes in die Schlagzeilen gekommen. Berühmt ist die syrische Stadt jedoch für ihre gewaltigen Wasserräder, die Norias, die überall langsam vor sich hindrehen. So ähnlich läuft es seit Monaten auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beim Thema Syrien: Alles dreht sich, alles bewegt sich – und kommt doch nicht vom Fleck. Die letzten Toten könnten jetzt doch zu einer gemeinsamen Sprache des mächtigen UN-Gremiums führen – wenn wohl auch auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

Dabei liegt seit zwei Monaten ein fertiger Resolutionsentwurf auf dem Tisch, der eigentlich niemandem wehtun dürfte. Von Dialog ist in dem kurzen Papier die Rede und der Hilfe, die man den Syrern zukommen lassen wolle. Das brutale Vorgehen des Regimes in Damaskus gegen sein eigenes Volk wird lediglich formell verurteilt – Strafen, Sanktionen, Auflagen sucht man vergebens. Kein Wunder, dass Menschenrechtsorganisationen mit dem von den Europäern, auch Deutschland, vorgelegten Entwurf unzufrieden waren. Sie hatten angesichts der Berichte über politische Gefangene, Verschwundene, Folter und die systematische Abriegelung ganzer Städte schnelle Sanktionen gegen das syrische Regime gefordert.

Und trotzdem ging das Papier einigen im Sicherheitsrat zu weit. An den „BRICS“-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – scheiterte bisher jede Initiative. Ein Grund ist, dass Brasilien, Indien und Südafrika nicht als „prowestlich“ erscheinen wollen. Ein Grund sind auch die massiven Luftschläge gegen Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi – gedeckt von einer UN-Resolution, deren Auslegung durch die NATO einige Sicherheitsratsländer offenbar unterschätzt hatten.

Die nötigen 9 von 15 Stimmen könnten zwar trotzdem zusammenkommen - als ständige Mitglieder haben Russland und China aber die Macht des Vetos und können so jede noch so starke Mehrheit zu Fall bringen. Die Briten, Hauptautoren der Resolution, stellten ihren Entwurf deshalb gar nicht erst zur Abstimmung.

„Einige Sicherheitsratsmitglieder waren nicht ganz glücklich mit der Ausgewogenheit des Papiers“, sagte Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin am Dienstagabend (Ortszeit) nach achtstündigem Verhandlungsmarathon. „Unglücklicherweise“, sagte er mit tonloser Stimme, habe sich der Rat nicht einigen können. Mit der Ausgewogenheit meinen die Russen, die im westsyrischen Tartus ihren wichtigen Marinestützpunkt im Mittelmeer haben, dass sich die Resolution zu sehr gegen die Regierung richte. Die Demonstranten würden doch auch Gewalt anwenden.

Westliche Diplomaten sind empört. „Die massive und systematische Gewalt der Regierung kann doch nicht auf eine Stufe mit sporadischen und vereinzelten Gewaltakten der Opposition gestellt werden“, sagte einer. Der derzeitige deutsche UN-Botschafter Miguel Berger wird für einen Diplomaten ungewohnt deutlich: „Das ist offenkundig der Versuch, die syrische Regierung zu entlasten. Für uns ist dies völlig inakzeptabel: die syrische Regierung bekämpft ihre eigene Bevölkerung mit Panzern und Scharfschützen – dieses Vorgehen der syrischen Regierung muss klar und eindeutig verurteilt werden.“

Die Hoffnung auf die Resolution ist noch da, aber sie ist gering. Inder, Brasilianer und Südafrikaner sind zwar, aufgeschreckt von den staatlichen Exzessen in Hama und anderen Städten, inzwischen handlungsbereit. Aber an den Russen und Syriens wichtigem Handelspartner China führt kein Weg vorbei. Immerhin: Seit Dienstag bewegt sich der Rat wieder – wenn auch zäh und mit einem Ziel, dessen Gewicht gering ist.

Denkbar ist eine präsidentielle Erklärung. Die ist de jure folgenlos, es ist ja nur ein Statement des Ratspräsidenten, in diesem Monat der Inder Hardeep Singh Puri. Aber auch da würde jedes Wort abgestimmt unter den Großen der Welt. Das dünne Papier könnte dann trotz allem ein Signal nach Damaskus senden: Ihr habt noch immer mächtige Freunde – aber auch deren Geduld ist nicht grenzenlos.