Druck auf sein Land ändere nichts an den Entscheidungen, sagte der iranische Präsident kurz vor der Fortsetzung der Atomgespräche.

Istanbul. Im Januar sollen die Atomgespräche in der internationalen Gemeinschaft fortgesetzt werden. Dabei geht es vor allem um den Iran, der verdächtigt wird, unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms am Bau von Atombomben zu arbeiten. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat angesichts der geplanten Gespräche vor weiterem Druck auf sein Land gewarnt. Sanktionen hätten keinen Einfluss auf die Entscheidungen Teherans, sagte Ahmadinedschad am Donnerstag am Rande eines Gipfeltreffens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (ECO) in Istanbul.

„Wir schlagen vor, dass bei dem kommenden Treffen in Istanbul Zusammenarbeit an die Stelle von Konfrontation tritt“, sagte Ahmadinedschad. Auf Fragen nach einer Vermittlerrolle der Türkei ging er nicht weiter ein. In der Türkei sollen im Januar Gespräche der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands mit der iranischen Führung fortgesetzt werden. Ahmadinedschad sprach bei seinem Besuch in Istanbul mit führenden türkischen Politikern auch über den Streit um das Atomprogramm seines Landes.

Bei dem ECO-Gipfeltreffen rief die Türkei Vorder- und Zentralasien zu verstärkten Anstrengungen für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft auf. Die in der Organisation zusammengeschlossenen Staaten hätten im Kampf gegen Hunger und Armut sowie für die Ausbildung ihrer Bevölkerung bisher nicht die nötigen Fortschritte gemacht, sagte der türkische Präsident Abdullah Gül. Gül übernahm den ECO-Vorsitz von Ahmadinedschad.

Die Türkei will die regionale Zusammenarbeit ausbauen. Dazu müssten der politische Dialog und gemeinsame Wirtschaftsprojekte verstärkt werden, sagte Gül. Er nannte die Erschließung der reichen Energievorkommen und Zugang zu den Weltmärkten sowie die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Verbesserungen in der Landwirtschaft als wichtigste Herausforderungen. In der 1985 gegründeten ECO sind zehn Staaten Vorder- und Zentralasiens zusammengeschlossen, die eine Freihandelszone einrichten wollen. (dpa/abendblatt.de)

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Ahmadinedschad: Der Hetzer auf dem Vulkan

In den Reaktionen der westlichen Hauptstädte fielen vor allem die Worte "widerwärtig", "wahnsinnig" und "abwegig" - Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte eine seiner berüchtigten Reden vor der Uno-Vollversammlung gehalten.

Die deutschen Diplomaten hatten es geahnt. Ihr Chef Guido Westerwelle war erst gar nicht erschienen, auch Uno-Botschafter Peter Wittig glänzte durch Abwesenheit. Und seine beiden rangniederen Vertreter setzten sich ganz hinten in den Saal - nahe beim Ausgang. Und den hatten sie, zusammen mit den Kollegen aus 31 weiteren Staaten, fluchtartig benutzt, als der Hardliner aus Teheran ein bizarres Szenario entwarf, bei dem die USA die verheerenden Anschläge vom 11. September 2001 selber inszeniert hätten, um ihre abstürzende Wirtschaft und den Staat Israel zu retten. Zudem rechnete er die 3000 Todesopfer von 9/11 gegen die Hunderttausenden Kriegsopfer im Irak und Afghanistan auf.

Mahmud Ahmadinedschad, der Provokateur mit Doktorgrad im Transportwesen, wird im Westen gern als Irrer wahrgenommen, den die Strudel der iranischen Innenpolitik irgendwie nach oben gespült haben. Ahmadinedschad hat zwar eine sehr eingeengte Weltsicht; ein Dummkopf ist er jedoch nicht. Eher ein Produkt oder vielmehr Opfer der jüngeren iranischen Geschichte. Vor der blutigen Islamischen Revolution von 1979 hatte der Schah von Persien in ähnlich brachialer Weise versucht, sein Land in die Moderne zu katapultieren, wie dies Kemal Atatürk in der Türkei getan hatte. Doch anders als Atatürk, der zuvor schon als Feldherr überragendes taktisches Geschick bewiesen hatte, schätzte Reza Pahlewi die Bedürfnisse seines Volkes fatal falsch ein und schürte dessen Wut zudem durch einen luxuriösen Lebensstil. Ahmadinedschad ist im Kampf gegen westlich geprägte "Dekadenz" und Ausbeutung aufgewachsen, sieht im Islam das Heil und verkauft sich den Iranern bewusst als ganz einfacher Mann, der billige Anzüge trägt, die wertvollen Perserteppiche aus seiner Residenz geworfen hat und in einem Frachtflugzeug umherfliegt. Dies war ein wichtiger Faktor seiner Wahl zum Staatspräsidenten, nicht nur unter dem Aspekt der verderblichen Verlockungen des Westens.

Sein Rivale und Amtsvorgänger Ali Akbar Rafsandschani, der "Hai", ist Milliardär und gilt als korrupt. Doch der graue Mantel der Bescheidenheit kann nicht verdecken, dass das radikalislamische Regime mit seinen gravierenden Beschränkungen bei Bürgerfreiheiten und Menschenrechten den intelligenten und traditionell bildungshungrigen Iranern ebenso wenig gerecht wird wie die Schah-Diktatur.

Der seit 2005 amtierende Ahmadinedschad, der 2009 wohl nur durch massive Wahlmanipulationen an der Macht blieb, weiß, dass er auf einem Vulkan sitzt. Nur durch den Einsatz brutaler Gewalt und Repression hat er die Proteste vor allem der jungen iranischen Generation noch einmal ersticken können. Seine Versuche, etwa durch die Verbote von Worten wie "Handy" oder "Pizza" die anbrandende Globalisierung auszusperren, wirken eher hilflos und erheiternd. Per Internet und Handy-Netzen sickert die Botschaft von Freiheit und Pluralismus ein.

Der ehemalige Revolutionsgardist setzt auf das älteste Instrument, mit dem Tyrannen die Volkswut ableiten: das Schüren von Konflikten mit äußeren Feinden, um inneren Zusammenhalt zu erzwingen. Mit Drohungen Richtung Israel, antisemitischen Ausfällen und wüsten Angriffen auf die USA und den Westen sucht er die Sympathie und Verbundenheit der islamischen Welt zu erlangen. Doch dabei unterläuft ihm ein schwerer strategischer Fehler. Denn unübersehbar strebt der schiitische Islamist an, die regionale Dominanz der vorislamischen persischen Großkönige zu restaurieren - wozu auch, entgegen allen Dementis, das forcierte Atomprogramm dienen dürfte.

Die sunnitisch-arabische Welt, allen voran das mächtige Saudi-Arabien, sieht im Iran zunehmend einen Feind. Schemenhaft zeichnet sich inzwischen sogar eine stillschweigende israelisch-arabische Allianz gegen Teheran ab. Darin liegt eine erhebliche Gefahr für Teheran, das mit der Förderung der Terrorgruppen Hisbollah und Hamas Glut in den israelisch-arabischen Konflikt bläst, um beide Lager zu lähmen.

In seinem zwanghaften Bemühen, den gesellschaftlichen Status quo im Iran zu zementieren, isoliert Mahmud Ahmadinedschad sein Land gegenüber dem Westen, belebt die jahrhundertealte Rivalität zwischen Persern und Arabern und verwandelt den Iran zugleich innenpolitisch in einen Dampfkochtopf ohne Ventile.