Seine Mutter kam aus Stuttgart, er war der Friedensengel von Dayton. Richard Holbrooke brach im Büro seiner Chefin Hillary Clinton zusammen.

Washington. Ein brillanter Diplomat war er, ein zäher Verhandler und ein treuer Diener seines Landes. Der US-Spitzendiplomat Richard Holbrooke ist tot. Der 69-jährige US-Sondergesandte für Pakistan und Afghanistan starb nach einer schwierigen Operation an der Hauptschlagader am Montagabend in Washington, wie US-Außenministerin Hillary Clinton mitteilte. Präsident Barack Obama würdigte ihn als einen „wahren Giganten“ der US-Außenpolitik, dank dessen Wirken Millionen Menschenleben in der Welt gerettet und verbessert wurden.

„Amerika hat heute Abend einen seiner entschiedensten Verteidiger und einen seiner treusten Diener verloren“, sagte Clinton in einer ersten, emotionalen Erklärung. Sie würdigte Holbrooke, den sie als „Freund, Kollegen und Vertrauten“ bezeichnete, als jemand, der „Diktatoren niederzwingen und selbst unter den schwierigsten Umständen für Amerikas Interessen und Werte eintreten konnte“.

Er habe die USA in entlegenen Kriegsgebieten und hochrangigen Verhandlungen mit „charakteristischer Brillanz und unerreichter Entschiedenheit“ vertreten. Obama sagte, Holbrooke „war eine wahrhaft einmalige Figur, der für seine unermüdliche Diplomatie, seine Liebe zum Land und sein Eintreten für den Frieden erinnert werden wird“. Obama hatte noch kurz vor Holbrookes Tod gesagt, dieser sei „zäh wie Leder“ und werde hart um sein Leben kämpfen.

Vizepräsident Joe Biden sagte, Holbrooke habe rein durch seinen Willen, „die Kurve der Geschichte in Richtung des Fortschritts“ gebogen. Senator John Kerry sagte, Holbrooke sei ein Mann „in ständiger Bewegung“ gewesen, sein Tod sei „unbegreiflich“. Holbrooke, der den USA seit fast fünf Jahrzehnten in führender Funktion diente, war am Freitagmorgen ins Krankenhaus eingeliefert worden, nachdem er sich während der Arbeit unwohl fühlte. Die Ärzte stellten bei Untersuchungen einen lebensbedrohlichen Riss an der Aorta fest. Nach einer langwierigen Operation war der Zustand des Diplomaten am Montag stabil aber sehr kritisch, wie es aus dem Außenministerium hieß. Der am 21. April 1941 in New York geborene Holbrooke hatte sich in den 90er-Jahren als US-Sondergesandter für den Balkan internationale Anerkennung erworben und gilt als Chefarchitekt des Dayton-Abkommens von November 1995, mit dem der Bosnienkrieg beendet wurde.

Bereits im April hatte sein Gesundheitszustand Besorgnis ausgelöst. Am Donnerstag soll in Washington ein mit Spannung erwarteter Bericht über den Krieg in Afghanistan und Pakistan vorgestellt werden, an dem Holbrooke maßgeblich beteiligt war. Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, sagte, der Bericht werde „Fortschritte“ ebenso wie „Schwierigkeiten“ im Kampf gegen die Aufständischen vermelden. Der Bericht zieht Bilanz ein Jahr nach Obamas Ankündigung, die Truppen in Afghanistan deutlich aufzustocken.

Holbrooke wurde am 24. April 1941 in New York City geboren. Seine Mutter stammte aus Stuttgart. Doch das war nicht seine einzige Verbindung nach Deutschland. Im September 1993 ging er als US-Botschafter nach Bonn, wo er jedoch nur neun Monate blieb. Dennoch: In der kurzen Zeit, bevor Holbrooke auf den einflussreichen Posten eines Abteilungsleiters für europäische und kanadische Angelegenheiten ins US-Außenministerium zurückkehrte, fand er ungewöhnlich schnell die breite Anerkennung deutscher Politiker. Der erfolgsverwöhnte Diplomat war in seinem Leben aber auch ein veritabler Geschäftsmann: 1985 übernahm er für acht Jahre eine leitende Position in der inzwischen pleite gegangenen Investmentbank Lehman Brothers. Mit seinen Ausflügen in die Wirtschaft machte er sich nicht nur Freunde. Kritiker warfen ihm unethisches Verhalten vor, weil er kurz nach dem Ausscheiden aus dem State Department 1996 seine diplomatischen Verbindungen genutzt habe, um ein Geschäft für eine Investmentbank einzufädeln. Bei derselben Bank heuerte er später an.

Beweise für ein Fehlverhalten wurden aber nie öffentlich. Auch in seiner diplomatischen Laufbahn kam Holbrooke gelegentlich ins Stolpern. Der US-Senat ließ den als aggressiv, karrierebewusst und geltungssüchtig beschriebenen Diplomaten mehr als ein Jahr schmoren, bis er ihn zum Uno-Botschafter in New York berief. Auch in seiner Rolle als Sondergesandter in Südasien war er nicht unumstritten. Mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai kam er kaum klar, mehrfach kursierten Gerüchte über seine Abbestellung.

Aus dem Team des damaligen US-Oberbefehlshabers in Afghanistan, General McChrystal, verlautete im Sommer gar, Holbrooke verhalte sich unberechenbar wie ein „verwundetes Tier“. Dagegen stand McChrystals Nachfolger General David Petraeus fest an der Seite Holbrookes. Experten sahen für ihn eine bedeutende Rolle bei möglichen Verhandlungen Karsais mit Taliban-Führern und den pakistanischen Nachbarn voraus. Zudem arbeitete er bis zuletzt an einer Bewertung der Fortschritte im Afghanistan-Krieg, die Obama noch im Dezember vorlegen will. Eine tragische Laune des Schicksals, dass er seinen fatalen Zusammenbruch ausgerechnet im State Department erlitt - während eines Treffens mit Außenministerin Hillary Clinton. Ihren Job hätte er einst gerne übernommen.