Am Dienstag wird im italienischen Parlament in einem Misstrauensvotum um die Zukunft von Ministerpräsident Silvio Berlusconi abgestimmt.

Rom. Am kommenden Dienstag wird über die Zukunft des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi entschieden. Berlusconi, der für Affären, Feten und umstrittene Aussagen bekannte Politik-Exzot, wird, sollte das Referendum scheitern, vermutlich zurücktreten. Denn bei dem Voten in beiden Kammern des italienischen Parlaments in Rom geht es darum, ob der 74-jährige Mailänder Medienzar und Milliardär als Regierungschef bleiben kann oder gehen muss. Und weil das Ergebnis der Abstimmung vor allem im Abgeordnetenhaus knapp ausfallen dürfte, steigt die Spannung am Tiber täglich weiter an: Stürzt Berlusconi?

Wie das Misstrauensvotum gegen den schillernden Geschäftsmann und konservativen Politiker ausgehen wird, ist ungewiss. Noch ungewisser ist alerdings, was nach seinem möglichen Sturz kommen könnte. Szenarien und Planspiele der wildesten Art kursieren seit Wochen in den Medien – auch für den Fall, dass der unverwüstliche Norditaliener mit dem Hang zu schönen jungen Frauen noch einmal davonkommt. Dabei hat Berlusconi rein rechnerisch in der Kammer der 630 Abgeordneten keine Mehrheit mehr: Sein alter Weggefährte Gianfranco Fini, den der Medienmogul einst aus der postfaschistischen Ecke holte und politisch salonfähig machte, wandte sich von ihm ab, nachdem Berlusconi ihn Ende Juli brüsk aus der Partei gedrängt hatte.

Vor allem Fini und seine neue Gruppe FLI (Zukunft und Freiheit für Italien) sind es, die beharrlich den Rücktritt des „Cavaliere“ fordern – am liebsten noch vor dem dramatischen Dienstag im Parlament. Es waren die „Finianer“, die diese Variante einer „gelenkten Krise“ in das römische Spiel brachten und Berlusconi damit lockten, er könne dann nach 72 Stunden wieder im Amt sein: Erneut vom Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zur Bildung einer Regierung berufen. Die hieße dann „Berlusconi 2“ und wäre um die Fini-Gruppe und andere erweitert. Doch dies lehnte der Cavaliere bisher ab. Er will das Vertrauen und vor allem will er eines nicht: Freiwillig zurücktreten.

Im September war es ihm noch einmal gelungen, die Brüche in seiner Regierungsmannschaft zu kitten, jetzt sieht es nicht mehr danach aus. Dennoch: Berlusconi wird vor den Abstimmungen im Parlament reden und dabei wohl insbesondere die Abtrünnigen um Fini an ihre Verantwortung vor dem Wähler erinnern, der doch den Auftrag zu dieser Regierung gegeben habe. Und er wird deutlich machen, dass Italien in der schweren Zeit der Wirtschafts- und Eurokrise nicht noch mehr durch internen Streit gelähmt werden dürfe. Kurz: Er will ganz regulär bis 2013 regieren.

Aber wie das arrangieren, wenn sich auch im eigenen Lager das Roulette der Namen für eine Zeit nach Berlusconi dreht? Unter den Kandidaten für die Führung einer neuen Mitte-Rechts-Regierung ist der anerkannte Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, aber auch Angelino Alfano, Berlusconis Justizchef. Dieser könnte Ministerpräsident werden, während Berlusconi doch noch das Amt des Staatspräsidenten anstrebe, wie etwa das Wochenmagazin „L'Espresso“ zuletzt munkelte. Der amtierende Staatspräsident Napolitano würde nach einem Rücktritt des Regierungschefs entscheiden, wie es weitergehen soll.

Sollte Berlusconi das Misstrauensvotum verlieren und zum Rücktritt gezwungen sein, könnte der Staatspräsident nachgeben und den Weg frei machen für Neuwahlen. Napolitano hatte mehrfach vor einem Urnengang in Krisenzeiten abgeraten. Oder er könnte den 74-Jährigen trotz einer Niederlage mit einer Neuauflage seiner Regierung beauftragen. Diese könnte mit Finis neuer Gruppe FLI oder der Zentrumspartei UDC ausgebaut werden. Daneben gibt es noch die Möglichkeit einer Regierung der großen Koalition als Übergangsregierung, um das Land auf Kurs zu halten.

Eines ist sicher: Selbst wenn Berlusconi den Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen und sehr knapp das Vertrauen erhalten sollte, kann das kaum eine Basis für ein stabiles Weiterregieren bis 2013 sein. Wahrscheinlich käme eine erweiterte Neuauflage der Berlusconi- Politik also auch in diesem Fall. Wie auch immer: Schlagzeilen über dubiose Parteienwechsel, über Postengeschacher und einen „Markt des Stimmenkaufs“ in den hektischen Tagen vor dem Votum lasen sich so, als müsse Italien unbedingt noch einmal sein negatives Image bedienen. Und die Perspektiven für die Zukunft sind nicht sehr viel besser, was die Chance eines wirklichen und tiefgehenden Neuanfangs angeht. (dpa)