Die Betreiber haben angedroht, Atommeiler stillzulegen, wenn es bei der Steuer bleibt. Doch das läuft ins Leere, meinen Umweltschützer.

Berlin/Stuttgart/Karlsruhe. Die Drohung der Kernkraftwerksbetreiber, bei einem Festhalten der Regierung an der Brennelementesteuer sofort Atommeiler stillzulegen, stößt in Berlin auf Verwunderung. Weshalb die Betreiber jetzt mit dem Abschalten von Anlagen drohten, die nach geltendem Recht sowieso abgeschaltet werden sollten, „ist mir schleierhaft“, sagte die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert am Sonntag. Auch Greenpeace sprach von einer „leeren Drohung“. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast freute sich: „Endlich mal eine Drohung, vor der man keine Angst haben muss! Im Gegenteil: Hoffentlich tun sie's!“

Als Alternative zur Brennelementesteuer plädierte Baden- Württembergs CDU-Fraktionschef Peter Hauk für die Einrichtung eines gemeinsamen Fonds für Bund und Länder, in den die zusätzlichen Gewinne aus den längeren Reaktorlaufzeiten fließen könnten. Ein Teil des Geldes könne zur Sanierung des Bundeshaushaltes entnommen werden; mindestens die Hälfte sollten die Länder zum Ausbau erneuerbarer Energien erhalten, sagte er der dpa in Stuttgart. Hauk lehnt festgelegte Reaktorlaufzeiten ab. „Wir wollen keinen Zubau neuer Atomkraftwerke. Aber die, die sicher sind, sollen so lange laufen, wie sie wirtschaftlich und sicher sind.“

Die Grünen im Landtag warfen Hauk und der CDU in der Atompolitik eine „wachsende Realitätsverweigerung“ vor. „Der weitere dynamische Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Laufzeitverlängerung für AKW schließen sich aus“, sagte Vize-Fraktionschef Franz Untersteller. Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken konkurriere mit Strom aus Wind- und Solaranlagen um die begrenzte Netzkapazität. „Während die großen Energieversorger ihre Marktmacht und Milliardenprofite auf Jahrzehnte hinaus sichern können, haben Klimaschutz und die Betreiber von Wind-, Solar- und Biomasseanlagen das Nachsehen“, sagte Untersteller.

Im Herbst will die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Energiekonzept vorlegen und entscheiden, wie lange die Kernkraftwerke noch am Netz bleiben dürfen. Die Konzerne RWE, Eon, Vattenfall und die Karlsruher EnBW verhandeln derzeit mit Finanzstaatssekretär Werner Gatzer darüber, ob sie im Gegenzug für die verlängerte Laufzeit der Atomkraftwerke statt der geplanten Brennelementesteuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro auch vertraglich vereinbarte Zahlungen leisten können.

Nach einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ haben sie erklärt, wenn die geplante Brennelementesteuer komme und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) strikte Auflagen verordne, lohne sich der Weiterbetrieb zahlreicher Anlagen nicht mehr. In diesem Fall sähen sich die Energiekonzerne gezwungen, die Meiler vorzeitig abzuschalten. Bei Bedarf würden sie dann Atomstrom im Ausland zukaufen.

Die Konzernchefs denken auch an Klagen gegen die Atomsteuer, die von ihnen in einem gemeinsamen Gespräch mit der „Bild“-Zeitung (Montag) erneut abgelehnt wurde. RWE-Chef Jürgen Großmann sagte: „Wir schlagen vor, dass wir von den zusätzlichen Gewinnen aus einer Laufzeitverlängerung durch die Kernkraftwerke die Hälfte an den Staat abgeben.“ Die Unternehmen sollen der Bundesregierung für zwölf zusätzliche Jahre Laufzeit bis zu 30 Milliarden Euro angeboten haben.

Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte unter Berufung auf Berechnungen des Aachener Instituts EUtech, auch ohne die sieben ältesten Meiler und den derzeit abgeschalteten Pannenreaktor Krümmel werde es keinen Strommangel geben. Die Werke trügen nur noch zu 5,4 Prozent zur Versorgung bei. Die übrigen neun moderneren Atommeiler könnten bis zum Jahr 2015 abgeschaltet werden. Nach den Greenpeace- Zahlen exportiert Deutschland zudem knapp die Hälfte der von den acht sofort abschaltbaren Atomkraftwerken produzierten Strommenge ins Ausland.