Die inhaftierte, schwer kranke Politikerin verweigert seit fünf Tagen die Nahrungsaufnahme. Ihr Gesundheitszustand sei besorgniserregend.

Kiew. Nach Einschätzung der Berliner Charité verschärft der Hungerstreik von Julia Timoschenko in bedrohlicher Weise den Gesundheitszustand der ehemaligen Regierungschefin der Ukraine. "In ihrer seit Monaten sehr angespannten Situation ist ihr Reservoir begrenzt“, gab Charité-Chef Karl Max Einhäupl am Mittwoch zu Bedenken. Die inhaftierte, schwer kranke Politikerin ist seit fünf Tagen im Hungerstreik.

"Eine Behandlung von Frau Timoschenko im ukrainischen Krankenhaus Charkow wird nach unserer Einschätzung nicht zur Lösung des medizinischen Problems führen, weil sie nicht bereit ist, sich von ukrainischen Ärzten behandeln zu lassen“, erklärte Einhäupl. "Sie hat Angst. Sie lässt sich noch nicht einmal Blut abnehmen.“ Deshalb sei die komplexe Therapie, die für ihren Bandscheibenvorfall nötig sei, dort nicht möglich.

Einhäupl und Orthopädie-Chef Prof. Norbert Haas, die Timoschenko zweimal in der Ukraine untersucht hatten, betonten erneut: "Frau Timoschenko ist wegen ihrer Schmerzen nicht verhandlungsfähig.“ Derzeit muss sich die 51-Jährige in einem zweiten Gerichtsverfahren verantworten. Ihr Zustand habe sich auch durch ihre erhebliche psychische Belastung, Fehlbelastungen des rechten Beins und der linken Hüfte sowie medikamentöse Nebenwirkungen verschlechtert.

"Die Erfolgaussichten für eine Genesung von Frau Timoschenko sind deshalb sehr gering“, sagte Einhäupl. "Wenn die ukrainischen Behörden bereit sind, den Strafvollzug für eine begrenzte Zeit auszusetzen, ist die Charité bereit, Frau Timoschenko zu behandeln.“

Westerwelle erneuert Angebot zur Behandlung Timoschenkos

Die Bundesregierung hat ihr Angebot an die Ukraine erneuert,Timoschenko in Deutschland zu behandeln. Zu einer Beteiligung deutscher Ärzte an einer Behandlung in der Ukraine äußerte sich der FDP-Politiker am Mittwoch in Berlin dagegen zurückhaltend. Es werde geprüft, "ob und unter welchen Voraussetzungen das ein für die Behandlungen von Frau Timoschenko medizinisch sinnvoller Beitrag sein kann“.

Westerwelle forderte die Regierung in Kiew auf, ihre eindeutigen rechtlichen Verpflichtungen zur Behandlung von Inhaftierten umfassend einzuhalten. Einen Boykott der Spiele der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine lehnte der Außenminister ab. "Ich halte wenig von Boykottaufrufen“, sagte er. Die Europameisterschaft sei gerade wegen des großen öffentlichen Interesses eine gute Gelegenheit, genau hinzuschauen, wie es um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in der Ukraine stehe.

Die 51 Jahre alte Julia Timoschenko war im Oktober 2011 in einem als politisch motiviert kritisierten Prozess wegen angeblichen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Seit kurzem wird gegen die Führerin der prowestlichen Orangenen Revolution von 2004 in einem zweiten Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung verhandelt. Aus Protest gegen ihre Haftbedingungen befindet sich Timoschenko nach Angaben ihres Anwalts seit dem 20. April im Hungerstreik.

Mit Material von dpa