Generalbundesanwalt sieht neues Verbotsverfahren der NPD skeptisch. Staat dürfe mit Blick auf Parteienprivileg des Grundgesetzes nicht überreagieren.

Berlin. Generalbundesanwalt Harald Range hat sich skeptisch über ein neues NPD-Verbotsverfahrens geäußert. "Man muss sich mit dem Rechtsextremismus politisch auseinandersetzen, das ist eine gesellschaftliche Aufgabe“, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ einem Vorabbericht zufolge. Zwar müsse der Staat Straftaten entschieden bekämpfen und auch klarmachen, wie gefährlich rechtsextremistisches Gedankengut sei. "Der Staat darf allerdings mit Blick auf das Parteienprivileg des Grundgesetzes nicht überreagieren“, warnte Range. Seine Aussagen wollte er als persönliche Meinung verstanden wissen, in seiner Eigenschaft als Generalbundesanwalt wolle er sich zum NPD-Verbotsverfahren nicht äußern.

Eine systematische Unterstützung der Zwickauer Neonazi-Zelle durch die NPD könnte ein Argument für ein Verbot der Partei sein. Die Sicherheitsbehörden machen die Zelle für die Ermordung von neun Einwanderern und einer Polizistin verantwortlich. Range sagte jedoch, es sei keine systematische Unterstützung der Zelle durch die NPD zu erkennen. "Bei einzelnen Unterstützern gibt es eine personelle Überschneidung, eine strukturierte Unterstützung aus der NPD gab es nach unseren Erkenntnissen aber nicht“, erklärte er. Dies gelte auch für die Finanzierung. Die rund 660.000 Euro, die die Zwickauer Zelle aus Banküberfällen erbeutet habe, hätten wohl ausgereicht, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Zugleich forderte Range eine Ausweitung der Rechte seiner Behörde. Die Bundesanwaltschaft brauche mehr und klare Initiativrechte, um selbst zu bewerten, ob sie in einem konkreten Fall zuständig sei, sagte Range. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch die Länder: "Eigentlich müssten die Landesstaatsanwaltschaften die Fälle an uns herantragen, in denen wir zuständig sein könnten.“ Dies geschehe aber nur sehr selten. Die derzeitige Situation sei unbefriedigend, weil sich die Bundesanwaltschaft in einer rechtlichen Grauzone bewege.

Die Innenminister von Bund und Ländern hatten am Donnerstag beschlossen, ihre V-Leute in den Führungsgremien der NPD im April abzuschalten und Beweise für ein neues Verbotsverfahren zu sammeln. Die Entscheidung darüber, ob es zu einem zweiten Anlauf für ein NPD-Verbot kommt, soll erst gegen Ende des Jahres fallen. Das erste Verbotsverfahren war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil die NPD bis in die Führung hinein massiv mit staatlichen Spitzeln unterwandert war.

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hatte bereits im Dezember ausdrücklich vor der Einleitung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens gewarnt. Mordanschläge wie die der Zwickauer Zelle seien zwar unvereinbar mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sagte er. In einem Verbotsverfahren müsse jedoch bewiesen werden können, dass die Partei als solches diese Grundordnung bekämpfe. "Die Partei und nicht nur einer ihrer Funktionäre müsste in diese mörderischen Anschläge in irgendeiner Form verwickelt sein“, betonte Papier. "Verwerfliche Taten einzelner Mitglieder oder Anhänger reichen nicht aus.“

Als Konsequenz aus den Erfahrungen in der Weimarer Republik enthält das Grundgesetz die Möglichkeit des Parteiverbots, um die Demokratie gegenüber ihren Feinden wehrhaft zu machen. Voraussetzung ist, dass die betreffende Partei die freiheitlich-demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder beseitigen möchte und der bestehenden Ordnung eine "aktiv kämpferische aggressive Haltung“ entgegenbringt. Die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei allein reicht für ein Verbot nicht aus. Bisher wurden in der Bundesrepublik nur zwei Parteien verboten: in den 50er Jahren die Sozialistische Reichspartei (SRP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

(abendblatt.de/rtr)