Die Gewalt in Afghanistan hält nach der Koran-Verbrennung an. Zwei US-Berater sind im Kabuler Innenministerium erschossen worden.

Kabul. Die Gewalt nach der Koran-Verbrennung durch US-Soldaten in Afghanistan hält an. Zwei US-Berater sind nach einem mysteriösen Zwischenfall im Kabuler Innenministerium am Sonnabend erschossen worden. Die Demonstrationen gegen die Verbrennung von Koranen und anderen religiösen Schriften auf einem US-Stützpunkt hielten unterdessen den fünften Tag in Folge an. Ein Sprecher der Taliban, Sabjullah Mudschahid, sagte, ein Aufständischer habe die US-Berater als Rache für die Koran-Verbrennungen erschossen.

An der Schießerei seien keine Afghanen beteiligt gewesen, hieß es dagegen aus afghanischen Regierungskreisen. Der Zwischenfall habe in einem gesicherten Raum stattgefunden, zu dem afghanisches Personal keinen Zugang gehabt habe, sagte einer von zwei Gewährsleuten. Die Nato-Schutztruppe ISAF hingegen betonte, der Täter sei nicht westlicher Herkunft. Oberstleutnant Jimmie Cummings bestätigte, dass es zwei Tote gegeben habe. Aus Kreisen des US-Verteidigungsministeriums verlautete, dass es sich bei den Opfern um Amerikaner handele.

Der amerikanische Kommandeur der Nato- und US-Truppen, General John Allen, rief alle Nato-Mitarbeiter aus afghanischen Regierungsstellen zurück. Dies sei eine Schutzmaßnahme erklärte er. "Der Angreifer ist ein Feigling, dessen Aktionen nicht unbeantwortet bleiben werden“, sagte Allen.

Mudschahid teilte im Namen der Taliban mit, bei dem Täter handele es sich um einen Aufständischen namens Abdul Rahman. Er sei mithilfe eines Helfers im Ministerium in das streng gesicherte Gelände gelangt. "Nach dem Angriff teilte Rahman uns telefonisch mit, dass er in der Lage gewesen sei, vier ranghohe amerikanische Berater zu töten“, sagte Mudschahid. Die Taliban übertreiben oft die Zahl der Opfer ihrer Angriffe.

Den fünften Tag in Folge haben am Sonnabend in Afghanistan Tausende Menschen gegen die jüngste Verbrennung von Koranen auf einem US-Stützpunkt protestiert. In der Nordprovinz Kundus, wo deutsche Soldaten stationiert sind, in der Ostprovinz Laghman und in der Provinz Logar südlich von Kabul schlug der zunächst friedliche Protest in Gewalt um. Seit Beginn der Proteste am Dienstag wurden nach offiziellen Angaben mindestens 25 Menschen getötet. Hunderte wurden verletzt.

In Kundus feuerte die Polizei nach Angaben eines Sprechers in die Luft, um gewalttätige Demonstranten auseinander zu treiben. Nach zunächst friedlichem Protest attackierte die Menge Gebäude der Provinzregierung und ein UN-Büro mit Steinen. Die UN bestätigten den Angriff. Alle ihre Mitarbeiter seien unverletzt geblieben. Angaben eines afghanischen Behördensprechers, es seien mindestens drei Menschen ums Leben gekommen, wurden nicht bestätigt.

Die Proteste begannen, nachdem US-Soldaten auf einem Stützpunkt Exemplare des Korans verbrannt hatten, was als Gotteslästerung gilt. Nach Angaben der Nato waren die Korane am 19. Februar versehentlich zu einer Grube zur Müllverbrennung auf dem Stützpunkt Bagram nördlich von Kabul gebracht worden. US-Präsident Barack Obama bat um Entschuldigung und sprach von einem schrecklichen Fehler.

Bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe wurden am Sonnabend in Afghanistan sechs Soldaten getötet. 16 weitere seien bei der Detonation verletzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kabul mit.

Überschattet von den Unruhen wegen der Koran-Verbrennungen übernimmt in Afghanistan am (morgigen) Sonntag General Erich Pfeffer das Kommando über die im Norden stationierten rund 13.000 Soldaten der ISAF-Schutztruppe. Er folgt damit auf General Markus Kneip. Dieser wäre im Mai vergangenen Jahres bei einem Selbstmordanschlag beinahe ums Leben gekommen. Nach seiner Genesung hatte Kneip wieder seinen Posten als Kommandeur des Regionalkommandos Nord in Afghanistan übernommen.

Von Amir Shah und Rahim Faiez