Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnt Griechen, die EU-Hilfe zu akzeptieren. Unklarheit herrscht derweil über Bundestagsentscheid.

Berlin. FDP-Chef Philipp Rösler hatte sich als Erster aus der Deckung getraut. Es folgte die CSU, und jetzt gehört auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu denjenigen, die eine mögliche Staatspleite Griechenlands nicht mehr kategorisch aus ihrem Wortschatz verbannen wollen. Als Schäuble am Montagabend im ZDF gefragt wurde, was passieren würde, wenn die Rettungsbemühungen scheitern sollten, entgegnete er: "Dann sind wir besser vorbereitet als vor zwei Jahren." Nein, noch will auch in Berlin niemand das frisch vom griechischen Parlament abgesegnete zweite Hilfspaket als überflüssig erklären, auch Schäuble nicht. Doch Griechenland strapaziert die Nerven der Retter weiter. Das für heute geplante Finanzministertreffen in Brüssel sagte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker gestern ab. Er habe von den griechischen Parteien nicht die geforderten Zusicherungen über die Umsetzung des Sparprogramms erhalten, erklärte Juncker.

+++ Debatte: EU-Millionen förderten die Griechen-Krise +++

So wie Schäuble über Griechenland sprach, scheint ein neuer Pragmatismus in die Rettungsbemühungen einzukehren. Vielleicht hatte man sich den Wandel vom Sorgenkind zum Wunderkind doch leichter vorgestellt. Das Land habe lange über seine Verhältnisse gelebt, sagte der Finanzminister. Der gesetzliche Mindestlohn liege über dem Durchschnitt der Euro-Staaten, Griechenland sei zu teuer in seinen Produkten, und die Griechen bräuchten dringend eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft. Den Wunsch der griechischen Politik, die Probleme selbst zu lösen, respektiere er. Aber wenn sie es allein nicht schafften, "wäre es besser, sie würden mehr Unterstützung durch die Europäische Union akzeptieren".

+++Lammert: Zustimmung des Bundestags fraglich+++

+++Das Ja zum Sparpaket spaltet die Griechen+++

Mit dem Wie und Wann bei dieser Unterstützung hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) jedoch so seine Sorgen. Das deutsche Parlament muss dem zweiten Milliardenpaket zustimmen und soll dies nach dem Willen der Koalition schon am 27. Februar tun. Bis zum letzten Sitzungstag des Parlaments am vergangenen Freitag seien die Voraussetzungen für eine weitere Unterstützung Griechenlands noch nicht gegeben gewesen, sagte Lammert der "Financial Times Deutschland". Er hoffe, dass in den beiden kommenden - sitzungsfreien - Wochen alle Bedingungen erfüllt würden, die eine Zustimmung des Bundestags ohne weitere Befassung ermöglichten. "Ob die dafür vorgesehene Beratungszeit reichen wird, wird man sehen." Die Sache ist kompliziert. Während die Parlamentarier bis zum 27. Februar zumeist in ihren Wahlkreisen arbeiten, wird in Brüssel und in Athen über die Einzelheiten des rund 130 Milliarden schweren Rettungspakets und um einen Forderungsverzicht privater Gläubiger gerungen. Die konkrete Ausgestaltung des Pakets könnte damit lange auf sich warten lassen - vielleicht zu lange, um den Abgeordneten eine fundierte Entscheidung abverlangen zu können.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, warnte die Regierung, den Bundestag beim Entscheid über das Milliardenpaket unter Druck zu setzen. Derzeit wisse der Bundestag nicht einmal, ob er in zwei Wochen über Garantien für 30, 130 oder 165 Milliarden Euro für Griechenland entscheide, sagte Oppermann dem Abendblatt. "Ich erwarte, dass die Bundesregierung schnell Klarheit schafft." Er betonte, dass das Parlament verantwortungsvoll entscheiden werde. "Aber der Bundestag darf nicht überrumpelt werden." Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten wohl immer noch nicht erkannt, dass sie den Hilfen für Griechenland erst dann zustimmen dürften, wenn der Deutsche Bundestag grünes Licht gegeben habe. "Die Zeiten der Geheimdiplomatie sind vorbei", so der SPD-Politiker weiter. Und er frage sich, woher Merkel die Gewissheit für eine eigene Mehrheit nehme. "Die Koalitionsabgeordneten rätseln doch noch darüber, worüber sie eigentlich abstimmen sollen."

Auch der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, stellte den Weg zum Parlamentsentscheid infrage. Der enge Zeitplan erscheine ihm sehr fraglich, sagte Schäffler dem Abendblatt. Es dürfe nicht erneut eine Abstimmung im Hauruck-Verfahren geben. Bislang liege noch keine Schuldentragfähigkeitsanalyse der Troika vor. Schäffler kündigte an, nach derzeitigem Stand "sicher nicht" dem Griechenland-Paket zuzustimmen. Griechenland sei überschuldet und im Euro nicht wettbewerbsfähig. "Das ändert auch nichts daran, dass einige Milliarden an Schulden erlassen werden. Die sind in einem oder zwei Jahren wieder drauf", sagte Schäffler. Der Unmut wachse darüber, schlechtem Geld gutes hinterherzuwerfen. Die Rettungslogik der vergangenen zwei Jahre sei gescheitert und gefährde mittelbar auch die Finanzkraft Deutschlands.