Was Subventionen anrichten können, zeigt der Bau einer aufwendigen Straße auf Naxos, fernab von Siedlungen und Touristenströmen

Kennen Sie die griechische Insel Naxos? Nein? Dann haben Sie etwas verpasst. Denn dort können Sie erfahren, wie in den vergangenen Jahren Ihre Steuergelder verschwendet worden sind. Und Sie verstehen, was jüngst der griechische Wirtschaftsminister Chrysochoidis gesagt hat: Die Subventionen der EU seien für die griechische Misere mit verantwortlich, weil sie falsch verwendet worden seien. Die EU-Kommission reagierte prompt: Die EU-Subventionen seien überwiegend in den Infrastrukturaufbau geflossen. Muss sich das widersprechen? Naxos gibt Auskunft.

Über ein Subventionsprogramm für die südliche Ägäis mit dem Schwerpunkt "Sich den Problemen der Insellage stellen - Basisinfrastrukturen" hat Griechenland 390 Millionen Euro an EU-Subventionen erhalten, finanziert aus Steuergeldern der EU-Mitgliedstaaten - davon 21 Prozent, also 82 Millionen, vom deutschen Steuerzahler.

Übrigens: Die südlichen Ägäis-Inseln haben 320 000 Einwohner, weniger als ein Fünftel von Hamburg.

Auch auf Naxos wollte man "sich den Problemen der Insellage stellen" und hat dank dieses mutigen Schritts zuhauf EU-Subventionen für "Basisinfrastrukturen" bekommen.

Ein Beispiel: Fernab menschlicher Siedlungen und der Touristenströme liegt im Innern der Insel eine Ruine, der Chimaros-Turm. Von dort führte früher eine zwölf Kilometer lange Schotterstraße in die Kalados-Bucht an der Südküste.

Mit Geld aus Brüssel - kofinanziert vom deutschen Steuerzahler - wurden die mittleren (!) zehn Kilometer dieser Straße gediegen ausgebaut. Nördlich Schotter, südlich Schotter - und inmitten feinster Asphalt, breiter als die Hauptstraße der Inselhauptstadt.

Am Straßenrand wurden Leitplanken auch da installiert, wo die Straße geradeaus und ebenerdig verläuft. Große Wegweiser-Tafeln weisen dem unkundigen Autofahrer auch dort den Weg, wo es keinen Abzweig gibt. Am Straßenrand wurden Zehntausende von Pflanzen gesetzt, von denen die meisten mangels Bewässerung gleich wieder abstarben. Kurz: Es wurde mit Abstand die am aufwendigsten gebaute Straße der ganzen Insel.

Warum gerade hier? Die Straße führt durch menschenleeres Gebiet und endet in einer Bucht. Befindet sich dort vielleicht ein Fährhafen? Fehlanzeige. Ein Bootsanleger? Fehlanzeige. Was dann? Ein Sumpfgebiet und sieben verfallene Häuser. Kein Tourist würde auf die Idee kommen, hier am Strand zu liegen. Und auch die Inselbewohner verirren sich nicht hierher.

Warum dann diese Straße? Ganz einfach: Weil für die Ägäis 390 Millionen Euro EU-Subventionen zur Verfügung gestellt wurden und man nicht wusste, wohin mit dem Geld. Also hat man es auch für absurde Vorhaben ausgegeben. Bauunternehmer, Schilder-Hersteller, Gärtner und andere haben am Bau blendend verdient.

Und die EU? Wenn man die Beamtenschaft nach der Verwendung der Subventionen in der Ägäis befragt, verweist sie auf die Behörden in Griechenland: Dort würden die Programme verwaltet und überwacht. In Brüssel hat man wenig Ahnung, ob die EU-Gelder in Griechenland sinnvoll ausgegeben werden. Warum auch? Je mehr Geld ein Beamtenapparat verteilen kann, desto größer ist sein Einfluss. Wenn Geld aus einem Subventionsprogramm übrig bliebe, weil nur die sinnvollen Projekte gefördert werden, wäre das ein Zeichen, dass es zu großzügig bemessen war und in Zukunft gekürzt werden kann. Dem dadurch drohenden Verlust an Einfluss entgeht man, indem man das Geld zum Fenster hinauswirft. (Das gilt selbstverständlich nicht nur für die EU, sondern für deutsche Behörden genauso.)

So haben EU-Behörde und Griechenland einträchtig das Geld über Jahre in sinnlose Vorhaben fließen lassen, statt es dort einzusetzen, wo massive Defizite bestehen, etwa - um nur ein Beispiel zu nennen - in den Aufbau eines funktionsfähigen Steuersystems, das Steuern eintreiben kann und systematische Steuerhinterziehung aufdeckt. Den griechischen Steuerbehörden wurde bescheinigt, sie hätten das Niveau eines Entwicklungslandes.

Immerhin hat der griechische Wirtschaftsminister endlich erkannt, wo der Hund begraben liegt. Aber werden sein Land und die EU daraus auch die richtigen Konsequenzen ziehen?