Beim Treffen mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga kündigt Kanzlerin Angela Merkel schärfere Sanktionen gegen das Assad-Regime an.

Berlin. Der Kampf der Widerständler ist auch ein Kampf mit Bildern. Mit verwackelten, unscharfen Bildern, aufgenommen mit dem Handy auf der Straße oder mit einer Handkamera aus dem Fenster heraus. Sie zeigen Bomben, Zerstörung, Gewalt gegen Menschen, Leid. Sie zeigen ein Syrien, das angesichts der Gräueltaten von Machthaber Baschar al-Assad im Ausnahmezustand ist. Unzählige solcher Videos gibt es im Internet. Sie sind ein Hilferuf aus der Bevölkerung an die Welt - an die arabischen Nachbarländer und vor allem an den Westen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kennt diese Bilder ebenfalls. Obwohl die Echtheit der Internetvideos nicht immer zweifelsfrei feststeht, haben sie längst Eingang in die weltweiten Nachrichten gefunden. Seit fast einem Jahr tritt Assads Regime einem demokratischen Wandel im Land mit Panzern, Granaten und unerschütterlicher Brutalität entgegen. Allein in der Stadt Homs, der Hochburg der Opposition und der Kämpfe, sollen mehr als 100.000 Syrer festsitzen. Jedes Auto, das die Gegend verlassen wolle, werde angegriffen, berichtete ein Aktivist. "Die Menschen sitzen in der Falle - ohne Nahrung, Treibstoff, Elektrizität und medizinische Versorgung." Allein gestern sollen bei dem heftigsten Beschuss seit Tagen mindestens 24 Menschen ums Leben gekommen sein.

Auch in der Welt der Diplomatie sind Bilder eine wichtige Sprache. Es ist deshalb eine klare Botschaft an Assad, wenn die Staatschefs der mächtigsten Länder und Bündnisse zusammenkommen, um darüber zu beraten, wie es gelingen kann, den Diktator zu stürzen, der seit mehr als elf Jahren in Damaskus regiert. In Berlin traf Merkel gestern Nabil al-Arabi. Er ist Ex-Außenminister Ägyptens und neuer Generalsekretär der Arabischen Liga, ein Zusammenschluss von 22 arabischen Staaten. Zwar hatten al-Arabi und die Kanzlerin ein Vieraugengespräch - einen gemeinsamen Kurzauftritt vor der Presse gab es aber dennoch.

Al-Arabis Botschaft war dabei vor allem ein Plädoyer für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in den arabischen Staaten: "Die Menschen auf den Straßen, ob auf dem Tahrir-Platz in Kairo oder anderswo, wollen, was die Europäer längst haben: Freiheit, Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde und eine gute Staatsführung", sagte er. Und: "Das Töten muss aufhören." Schätzungen zufolge kamen in Syrien bislang mehr als 8000 Zivilisten und Soldaten unter Assads Gewalt ums Leben.

Inwieweit der Machthaber von Auftritten wie diesen zu beeindrucken ist, kann er nur selbst beantworten. Nach innen und außen präsentiert sich Assad jedenfalls weiter selbstbewusst. Einen Militärschlag gegen sein Land hat er nach derzeitigem Stand nicht zu befürchten, die Weltgemeinschaft versucht vor allem wirtschaftlich und politisch Druck auszuüben. Schon seit fünf Monaten kauft etwa die EU - bis dato alleiniger Abnehmer - kein syrisches Öl mehr. Die einheimische Wirtschaft leidet unter dem Bürgerkrieg. Merkel kündigte gestern bei dem Treffen mit al-Arabi an, die Maßnahmen von Seiten der EU noch zu verstärken. Die Außenminister werden Ende des Monats darüber beraten. Auch US-Präsident Barack Obama und Großbritanniens Premierminister David Cameron haben gestern in einem Telefongespräch über eine Verschärfung der Sanktionen diskutiert, wie es vom britischen Regierungssitz Downing Street hieß.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion und CDU-Außenexperte Andreas Schockenhoff sagte dem Abendblatt in diesem Zusammenhang, es seien mehrere Wege denkbar, wie mit neuen Sanktionen Druck auf das syrische Regime ausgeübt werden könne. Etwa die Visa-Beschränkungen, die es jetzt bereits gegen einzelne Personen gibt, könne man auf einen größeren Kreis ausweiten. "Es wäre auch möglich, sämtliche Transaktionen der nationalen syrischen Bank mit dem Westen zu unterbinden. Auch eine Einstellung des zivilen Flugverkehrs zwischen der EU und Syrien wäre ein gangbarer Weg", so Schockenhoff. "Eine einfache Lösung des Konfliktes gibt es nicht", fügte der CDU-Außenexperte hinzu. Man müsse aber "spürbare Sanktionen ergreifen, die mehr sind als Symbolpolitik, und das Regime in Damaskus in die Knie zwingen". Das EU-Ölembargo habe das Regime bereits hart getroffen.

In weite Ferne rückt trotz der deutschen Unterstützung der Vorschlag der Arabischen Liga, eine Blauhelm-Friedenstruppe der Uno nach Syrien zu entsenden. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte nach einem Treffen mit ihrem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu in Washington, wegen der Haltung der Veto-Mächte China und Russland sei es schwierig, einen solchen Beschluss im Uno-Sicherheitsrat zu erreichen.

Eine Resolution des Gremiums war vorvergangene Woche bereits am Nein der beiden Staaten gescheitert. Die Uno-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay beklagte, genau dies habe die Gewalt im Land erneut angeheizt. "Die Gewalt reißt nicht ab, sie wird schlimmer", sagte sie vor der Uno-Vollversammlung in New York. Die Führung in Damaskus gehe mit Panzern, Artillerie und Scharfschützen gegen unbewaffnete Regimekritiker vor, so Pillay. Auch Kinder würden gefangen gehalten.

"Es muss weiter alles für eine Resolution der Vereinten Nationen getan werden, um die Gewalt in Syrien zu beenden", so Schockenhoff. "Eine gemeinsame Beobachtermission der Arabischen Liga und der Uno könnte dem Regime Einhalt gebieten." Ein Blauhelm-Einsatz wäre dann denkbar, wenn die Situation vor Ort es erforderlich mache und erlaube.

Doch auch das Assad-Regime lehnt den Einsatz von Friedenstruppen strikt als einen "feindlichen Akt" ab. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf der für den 24. Februar einberufenen Konferenz der "Freunde Syriens", einem Bündnis aus arabischen und westlichen Staaten. Auch hier geht um zusätzliche Sanktionen gegen Assad. Und um ein Zeichen, dass der Druck gegen ihn steigen wird.