Neue Kämpfe in Libyen ausgebrochen. Syrien wird immer mehr zum Bürgerkriegsland, Beobachter aus dem Land abgezogen.

Hamburg. Vor drei Monaten starb der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi. Ob er Schussverletzungen erlag - so die offizielle Darstellung - oder doch mit einer Eisenstange zu Tode gepfählt wurde, wie der Arabien-Experte Peter Scholl-Latour in der ARD-Sendung "Maischberger" unter Berufung auf französische Informationen behauptet hatte, ist ungeklärt. Jedenfalls galt der blutige libysche Bürgerkrieg mit Gaddafis Tod als entschieden und beendet.

Doch am Wochenanfang eroberten rund 150 Gaddafi-treue Truppen die strategisch wichtige Wüstenstadt Bani Walid zurück. Mindestens fünf Soldaten der Revolutionstruppen seien getötet und rund 20 verletzt worden, sagte ein Sprecher der Übergangsregierung in Tripolis. Bei den erbitterten Kämpfen seien auch schwere Panzerabwehrwaffen zum Einsatz gekommen. "Sie kontrollieren jetzt die Stadt", sagte der Sprecher. Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, entsandte Truppen und Kampfflugzeuge nach Bani Walid.

Die Stadt mit ihren rund 80 000 Einwohnern, 200 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Tripolis gelegen, war eine der letzten Hochburgen des gestürzten Diktators Gaddafi gewesen und war am 17. Oktober nach sechs Wochen Belagerung erobert worden. Die meisten Einwohner gehören dem Warfalla-Stamm an, dem mit einer Million Menschen zahlenmäßig stärksten Libyens.

Der Ausbruch neuer Kämpfe in Bani Walid war schon länger abzusehen gewesen. Noch im November hatten Gaddafi-Anhänger 15 Revolutions-Soldaten ermordet. Die jüngste Gewalt entzündete sich anlässlich der Verhaftung von Gaddafi-Getreuen durch Mitglieder des Nationalen Übergangsrates. Die Gaddafi-Anhänger griffen zunächst den Militärstützpunkt an und nahmen danach die ganze Stadt ein. In Tripolis verstärkte die neue Regierung die militärischen Sicherheitsmaßnahmen.

Vor einer Woche erst waren im Westen Libyens Kämpfe zwischen zwei verfeindeten Ortschaften ausgebrochen. Mindestens drei Menschen starben, mehr als 60 wurden verletzt. Lokale Stammesführer bemühten sich um Vermittlung. Anlass der Gewalt war offenbar ein Streit über gegenseitige Vorwürfe, wer im Bürgerkrieg auf Seiten Gaddafis gekämpft hatte. In Tripolis waren kürzlich bewaffnete Revolutionäre aus verschiedenen Gegenden Libyens aufeinander losgegangen.

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Auch Syrien und Ägypten kommen nicht zur Ruhe. In Syrien kamen allein seit Sonnabend mehr als 100 Menschen bei Kämpfen zwischen den Truppen des Despoten Baschar al-Assad und Aufständischen, darunter übergelaufene Soldaten, ums Leben. Bei den seit zehn Monaten andauernden Unruhen sind bislang rund 6000 Menschen getötet worden, die meisten bei brutalen Übergriffen der Armee. Dabei ist die westsyrische Stadt Homs mit ihren mehr als 800 000 Einwohnern zum Hauptschlachtfeld geworden. Zwei Drittel der Stadt sollen bereits in der Hand Aufständischer sein.

Angesichts der uneinsichtigen Haltung des Assad-Regimes hat der aus sechs Staaten bestehende Golf-Kooperationsrat (GCC) seine Mitglieder der Beobachtermission der Arabischen Liga aus Syrien abgezogen. Zuvor hatte bereits Saudi-Arabien seine Beobachter zurückgezogen. Der Rat gehe davon aus, dass "das Blutvergießen und Töten unschuldiger Menschen weitergehen werde", teilte der GCC in Dubai mit. Die EU-Außenminister hatten am Montag die Sanktionen gegen Syrien verschärft.

In Ägypten haben Anhänger der Demokratiebewegung in den vergangene Wochen Hunderte spontane Demonstrationen gegen die Macht der unverändert herrschenden Militärs organisiert. Der Militärrat hat nun versprochen, die Macht bis Ende Juni an eine Zivilregierung abzugeben. Gestern hob die Militärführung den seit 1981 geltenden Ausnahmezustand auf - außer in Fällen von Randalierertum.

Am Montag hatte sich die neu gewählte Volksversammlung, die gesetzgebende Kammer des Parlaments, konstituiert. Die stärkste politische Kraft, die islamistische Muslimbruderschaft, kündigte an, das Land vollständig reformieren und das Volk im Sinne des Islam erziehen zu wollen - mit Kontrollen und Strafen. Ihr Sprecher Mahmud Ghoslan erklärte gegenüber der Deutschen Presseagentur, eine absolute Freiheit der Medien und private Machtmonopole werde es nicht geben. Ägypten werde in zehn Jahren "ein besseres Beispiel für den Islam sein als die Türkei oder Saudi-Arabien", sagte Ghoslan. Er halte es für möglich, dass es künftig verschiedene Urlaubsorte für ägyptische und ausländische Touristen geben werde. Im Parlament in Kairo kam es derweil zu wütenden Wortgefechten um die Bestallung des neuen Parlamentssprechers. Am Ende der hitzigen Debatte setzte sich die Muslimbruderschaft mit ihrem Kandidaten Saad al-Katatni durch.