Die Kritik an FDP-Chef Westerwelle reißt nicht ab. Schleswig-Holsteins SPD-Chef Stegner verglich ihn jetzt mit dem Rechtspopulisten Haider.

Der Ton im Streit über die Hartz-IV-Äußerungen von FDP-Chef Guido Westerwelle wird schärfer. „In der Hartz-IV- Debatte outet sich Guido Westerwelle als Jörg Haider der deutschen Politik“, schrieb Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner heute im Internet-Kurzmitteilungsdienst Twitter. Die Reaktion der FDP auf den Vergleich mit dem österreichischen Rechtspopulisten folgte prompt: „Wenn Herr Stegner meint, dass sich über die Zukunft des Sozialstaates mit 140 Zeichen diskutieren lässt, belegt er das derzeit unterirdische Niveau seiner Partei“, giftete der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki im Nachrichtenportal shz.de zurück.

Stegner ist nicht der erste, der mit markigen Worten gegen Westerwelle schießt. Westerwelle hatte nach dem Urteil der Verfassungsrichter in der Debatte über die Höhe der Hartz-IV- Zahlungen „eine ziemlich sozialistische Entwicklung“ in Deutschland kritisiert. Er warnte, wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu spätrömischer Dekadenz ein. Quer durch alle Parteien hagelt es daraufhin Kritik für den FDP-Chef. Einen „sozialpolitischen Brandstifter" nannte ihn etwa SPD-Chef Sigmar Gabriel. Einen „Esel“ schimpfte ihn der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte ihn zum „Polit-Rowdy“. Am Wochenende hatten sich auch mehrere Unionspolitiker wie zuvor auch Kanzlerin Angela Merkel von Westerwelles Wortwahl distanziert.

Die koalitionsinterne Kritik an Westerwelle riss auch heute nicht ab. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf dem Außenminister Politik für einzelne Interessengruppen vor. „Als Bundesminister muss man sich immer bewusst sein, dass man alle Deutschen vertritt“, sagte Dobrindt der „Passauer Neuen Presse“. Fordern und Fördern gehörten zwar immer zusammen. Doch zähle Solidarität zu den Grundpfeilern der sozialen Marktwirtschaft. „Das ist in keinster Weise sozialistisch“, sagte Dobrindt und wies damit die Aussage Westerwelles zurück, wonach die Debatte über die Höhe der Hartz-IV-Leistungen „sozialistische Züge“ trage. Der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Fuchs (CDU) kritisierte zwar die Wortwahl Westerwelles, hielt aber die Warnung vor einer Umverteilung zulasten der Steuerzahler für gerechtfertigt.

Westerwelle verlangt nun im Streit über die Neuregelung der Hartz-IV-Leistungen eine Generaldebatte im Bundestag. „Ich fordere meine Kritiker auf, sich im Bundestag einer Generaldebatte zur sozialen Gerechtigkeit zu stellen“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Diese Kritiker versuchen mit ihren Beleidigungen doch nur zu verbergen, dass es ihnen an Wahrheit und Argumenten fehlt“, bemängelte der Vize-Kanzler. Jeder habe seinen eigenen Stil, verteidigte er seine Wortwahl. „Ich will gestalten, und deswegen will ich unserem Volk auch die Wahrheit sagen. Das Herumreden um den heißen Brei führt doch nur zu noch mehr Politikverdrossenheit.“ 45 Prozent des Bundeshaushalts würden mittlerweile für den Sozialstaat ausgegeben, rechnete Westerwelle vor. Zusammen mit den Zinsen für die Schulden seien es sogar 60 Prozent. „Wenn das so weitergeht, wird durch diese Umverteilungspolitik der ganz normale Steuerzahler zum Sozialfall.“

Merkel (CDU) zeigt sich grundsätzlich offen für die verlangte „Generaldebatte“ über den Sozialstaat. Die Tagesordnung des Parlaments werde vom Bundestag selbst festgelegt, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans in Berlin. In der Woche vom 15. März an sei im Zuge der Haushaltsberatungen des Bundestages ohnehin eine Generaldebatte vorgesehen.

Hält sich Merkel nach wie vor bedeckt, stellten sich Westerwelles Parteifreunden offen hinter ihn. „Guido Westerwelle spaltet nicht den Sozialstaat“, sagte Nordost-FDP, Christian Ahrendt mit Blick auf die Kritik aus der SPD. „Den Sozialstaat hat die SPD gespalten, sie ist für die Hartz-IV-Sätze verantwortlich.“ FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn forderte Kanzlerin Merkel in der „Frankfurter Rundschau“ auf, ihren Stellvertreter „vor unmöglichen Beschimpfungen aus der Union“ in Schutz zu nehmen. Ähnlich äußerte sich der bayerische FDP-Vorsitzende Martin Zeil. Merkel müsse angesichts des Streites über Steuersenkungen oder Gesundheitsreform „endlich Führung beweisen und ihrem Laden sagen, wo es lang geht“, forderte Zeil in der „Financial Times Deutschland“. Stattdessen ergehe sich die Kanzlerin in „machttaktischen Spielchen“ und gehe auf die Grünen zu.