Von einem “Wirtschaftskrieg unter dem Deckmantel eines finanziellen Kreuzzuges“ war die Rede. Die Schweiz würde “gemaßregelt“.

Zürich/Genf. Politik und Banken in der Schweiz haben enttäuscht und empört auf die Pläne der deutschen Regierung reagiert, gestohlene Bankdaten mutmaßlicher deutscher Steuersünder aufzukaufen. Der Hauptvorwurf lautet, dass sich die Regierung in Berlin als Hehler betätige, wenn sie gestohlenes Gut übernehme. „Kein Rechtsstaat darf sich auf den illegalen Abweg der Hehlerei begeben“, sagte FDP-Präsident Fulvio Pelli in der größten Schweizer Tageszeitung „Blick“. Die Enttäuschung bei der Freisinnigen Partei (FDP) ist besondern groß. Ihr deutscher Parteifreund, FDP-Außenminister Guido Westerwelle, versprach im vergangenen November den wegen der harschen Sprache des früheren SPD-Finanzminister Peer Steinbrück verärgerten Schweizern einen Neuanfang in den politischen Beziehungen und eine Ende der „Irritationen der Vergangenheit“. Unklar blieb, von welcher Bank die Daten stammen.

Auch andere Politiker haben sich harsch zu Wort gemeldet. „Es handelt sich um einen Wirtschaftskrieg unter dem Deckmantel eines finanziellen Kreuzzuges“, sagte Yves Nidegger von der konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) der Zeitung „Le Matin“ am Dienstag. Der liberale Politiker Christian Lüscher warf den Ländern der Europäischen Union vor, sie würden die Schweiz „maßregeln“ und es nur darauf anlegen, reicher zu werden.

Die Aufmerksamkeit der Schweizer richtet sich nun auf die für März angesetzten Verhandlungen für ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Deutschland. „Unter diesen Umständen dürfte ein Vertragsabschluss schwierig werden,“ sagte der CVP-Abgeordnete Pirmin Bischof in Interviews. In den Verhandlungen wollen die Schweizer anbieten, nicht allein bei Steuerbetrug sondern auch bei Steuerhinterziehung auf Antrag Bankdaten herauszugeben. Dieser Schritt, den die Schweiz vor etwa einem Jahr im Grundsatz beschlossen hat, bringt eine weitgehende Aufweichung des Schweizer Bankgeheimnisses für Ausländer.

Die Drohung mit einem DBA hat schon einmal gewirkt. Im Herbst hatten die französischen Behörden Kundendaten in die Hände bekommen, die bei der Genfer Niederlassung der britischen Bank HSBC gestohlen worden waren. Nachdem die Regierung damit drohte, das parlamentarische Ratifikationsverfahren für ein bereits ausgehandeltes DBA auszusetzen, gaben die Franzosen symbolisch eine Kopie der Dateien zurück und versicherten, in diesen Fällen keine Amthilfeanträge zu stellen. Im Hinblick auf Deutschland käme nur eine Unterbrechung der noch nicht sehr weit gediehenen Verhandlungen infrage. Möglicherweise wird die Regierung am Mittwoch in ihrer Kabinettssitzung die Marschrichtung für die Verhandlungen festlegen.

Die Regierung müsse sich wie bei Frankreich hart zeigen und eine „unmissverständliche Position“ markieren, forderte der Bankenverband. „Wir erwarten weiterhin, dass die deutsche Regierung die Daten nicht kauft und sich somit nicht zum Hehler von Diebesgut macht“.

Die Medienberichte haben die deutschen Kunden bei Schweizer Banken aufgeschreckt. „Bei uns laufen die Telefone heiß“, sagte ein Anlageberater bei einer ausländischen Privatbank. „Vielen Deutschen steht der kalte Schweiß auf der Stirn“, sagte ein Privatbanker.

Die Herkunft der Daten liegt weiterhin im Dunklen. Die Großbank Credit Suisse hat nach Angaben eines Sprechers keine Hinweise auf ein Datenleck. Es lägen keine Informationen über einen Datendiebstahl vor, erklärte ein Sprecher der UBS. „Derzeit sind das alles Spekulationen“, sagte ein Sprecher.

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß griff dagegen die Schweiz hart an: „Die Schweiz bunkert seit Jahrzehnten Diebesgut. Dass ist doch unstreitig“, sagte er dem Fernsehsender n-tv mit Blick auf das Schweizer Bankgeheimnis.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuvor den Kauf der CD mit den brisanten Daten angekündigt. „Im Prinzip ist die Entscheidung gefallen“, sagte Schäuble der „Augsburger Allgemeinen“ (Mittwochsausgabe). Laut Finanzministerium ist über einen Ankauf der CD noch nicht abschließend entschieden. Ein Informant hatte den deutschen Behörden Zeitungsberichten zufolge eine CD mit Daten von 1300 bis 1500 Anlegern mit Schweizer Konto angeboten und im Gegenzug 2,5 Millionen Euro verlangt.