Als „nichtinternationaler bewaffneter Konflikt“ könnte der Bundeswehreinsatz in Afghanistan künftig eingestuft werden – mit weit reichenden Folgen.

Acht Jahre ist es her, dass Deutschland Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan schickte. Acht Jahre, in denen sich ihr Einsatz immer mehr wandelte. Sollten die Soldaten nach dem Sturz des Taliban-Regimes ursprünglich vor allem bei der Stabilisierung und dem Aufbau des Landes helfen, sind sie mittlerweile immer öfter in Gefechte verwickelt. Die Bundesregierung wird deshalb nach den Worten von CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich „sehr zeitnah“ eine Neubewertung der Situation in Afghanistan vornehmen. Sie prüfe zurzeit, ob die Auseinandersetzung am Hindukusch als „nichtinternationaler bewaffneter Konflikt“ eingestuft werden kann. Damit würde die Regierung sich auch offiziell der zuletzt von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) getroffenen Bezeichnung von „kriegsähnlichen Zuständen“ annähern.

Bisher wurde die Mission als Stabilisierungseinsatz eingestuft. Der Begriff Krieg soll auch jetzt nicht fallen, weil er nur auf einen Konflikt zwischen Staaten zutreffe. In Afghanistan aber kämpfen internationale Truppen gemeinsam mit der afghanischen Armee gegen Aufständische.

Die neue Bewertung hätte rechtliche Folgen. Denn dann wären die Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuchs zu Kriegsverbrechen anwendbar. Danach dürfen Militärziele angegriffen und Kämpfer – etwa der Taliban – getötet werden. Dass dies zur Wirklichkeit des Bundeswehreinsatzes dazugehört, zeigt der verheerende Luftangriff in Kundus vom 4. September 2009 mit vielen Toten. Ein deutscher Oberst hatte ihn angeordnet, weil er seine Truppen bedroht sah – und angeblich gezielt Taliban-Führer liquidieren wollte. Die Bundesanwaltschaft prüft seit November, ob der Angriff unter das Kriegsvölkerrecht fällt.

Die SPD warnte die Regierung davor, die Substanz der deutschen Afghanistan-Mandate zu verändern. Dies sei Sache des Bundestages, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eindeutige Rechtssicherheit für die Soldaten gebe es ohnehin nicht, auch nach dem Völkerstrafrecht werde von der Staatsanwaltschaft ermittelt.

Sollte es das Ziel Guttenbergs sein, dass die Bundeswehr in Afghanistan weniger militärische Rücksichten nehmen müsse, „dann würde das dem Mandat die Grundlage auch nach Meinung der Bevölkerung völlig entziehen“, warnte Arnold.