Nach dem Kompromiss von Kopenhagen, soll nun 2010 die Wende kommen. Die Hoffnungen ruhen auf Klimakonferenzen in Bonn und Mexiko.

Kopenhagen. Nach dem Gipfel-Fiasko in Kopenhagen soll es im Kampf gegen den Klimawandel nun 2010 die große Wende geben. Diese Hoffnung äußerten Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Spitzenpolitiker. Allerdings ist der Minimalkompromiss von Kopenhagen ein denkbar schlechter Start für die im kommenden Jahr geplanten Klimakonferenzen in Bonn und Mexiko-Stadt. Dort sollen dann die jetzt verpassten Klimaziele verbindlich festgeklopft werden. Der Klimagipfel mit 193 Staaten erkannte die Kopenhagen-Vereinbarung am Sonnabend nur an, stimmte aber nicht verbindlich darüber ab. Jedes Land kann nun selbst entscheiden, ob es den Text annimmt oder nicht.

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Kanzlerin Merkel zog zwar eine kritische Bilanz, warnte aber davor, den Kompromiss schlechtzureden. Opposition und Umweltverbände sprachen von einem Scheitern. Die Kanzlerin verteidigte die Einigung, sieht sie aber mit gemischten Gefühlen. „Wir sind einen Schritt vorangekommen, ich hätte mir aber mehr Schritte gewünscht“, sagte Merkel. „Der Weg zu einem neuen Abkommen ist noch recht weit.“ Der Gipfel in Kopenhagen sei ein Anfang, um bis zur Klima-Konferenz in Bonn offene Fragen zu klären. „Es besteht der feste Wille aller, die hier beteiligt sind, dann dieses Abkommen Ende des Jahres 2010 zu fixieren.“

Auch Außenminister Guido Westerwelle hofft weiterhin auf ein globales Abkommen. US-Präsident Barack Obama lobte das Gipfelergebnis als „bedeutend und beispiellos“, aber bei weitem nicht ausreichend. „Wir sind ein Stück vorangekommen, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ China nannte das Ergebnis wichtig und positiv. Allerdings sei der Gipfel „nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang“, sagte Außenminister Yang Jiechi. Er erneuerte zugleich die Ablehnung Chinas, den Entwicklungsländern eine Verringerung der Emissionen abzuverlangen und Finanzhilfen an internationale Kontrollen zu knüpfen. Die in Kopenhagen getroffene Vereinbarung enthält nur vage Klimaschutzziele. Die deutliche Senkung des Treibhausgas-Ausstoßes wird mit Blick auf die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad als erforderlich bezeichnet, ohne Schritte zu nennen.

Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA) Jochen Flasbarth gab Uno-Generalsekretär Bank Ki Moon eine Mitschuld am Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen. „Die Stimme der Vereinten Nationen war am Ende zu klein und zu leise“, sagte Flasbarth dem "Hamburger Abendblatt" (Montag-Ausgabe). Der Uno-Generalsekretär habe in seinen Gruß- und Schlussworten Richtiges gesagt, „aber er hat vermutlich die Möglichkeiten seines Amtes nicht vollständig ausgeschöpft“, so der UBA-Chef. „Für die vielen Staaten, die zum Schluss nicht mitverhandelt haben, hätte jemand das Wort ergreifen müssen. Und diese Stimme hätte nur die Uno sein können." Flasbarth forderte eine Debatte über die zukünftige Rolle der Uno: „Wir haben nach Kopenhagen Diskussionsbedarf darüber, welche Führungsrolle die Vereinten Nationen im Klimafolgenprozess einnehmen müssen.“

Flasbarth lobte die Rolle Deutschlands in Kopenhagen und insbesondere den Bundesumweltminister. „Norbert Röttgen hat die Verhandlungen erstklassig geführt. Er war sehr beherzt, sehr engagiert.“ China habe dagegen eine „zentrale Rolle beim Scheitern des Gipfels“ gespielt, so Flasbarth. Das Land habe viele beachtliche Anstrengungen angekündigt, sei aber nicht bereit gewesen, diese Anstrengungen international überprüfen zu lassen. Auch Amerika hätte nach Ansicht der UBA-Chefs mehr Bewegung in die Konferenz bringen können. „Das Auftreten der USA war nicht überzeugend genug, um damit das Ruder herumzureißen.“ Der Druck werde bei der Konferenz in Mexiko Ende 2010 nun umso größer sein.

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Die Vereinbarung war im Wesentlichen von Obama mit China, Indien, Südafrika und der EU ausgehandelt worden. Diesem Deal hatten anschließend 25 Länder mit Vertretern von Industriestaaten, Schwellen- und Entwicklungsländern ebenfalls hinter verschlossenen Türen zugestimmt. Arme Länder wie der Sudan, Kuba, Venezuela oder Bolivien kritisierten den Sondergipfel und den Inhalt der Vereinbarung in der großen Plenarrunde am Samstagmorgen scharf.

Der sudanesische Chef- Unterhändler und Sprecher der Entwicklungsländer (G77), Lumumba Stanislaus Di-Aping, erklärte, das Abkommen bedeute den Tod vieler Afrikaner und zog einen Vergleich zum Holocaust. Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, Präsident der Konferenz, legte angesichts der Kritik am Samstagmorgen die Konferenzleitung nieder. Dennoch brachten die Gipfelstaaten den Kompromissvorschlag mit ihrem Votum offiziell in den Verhandlungsprozess für das kommende Jahr ein und lösten so die Blockade auf, die die 13-tägige Klimakonferenz streckenweise geprägt hatte. Es ist jedoch eine Vereinbarung, die nur vage Klimaschutzziele enthält. Nachdem noch in ersten Entwürfen von konkreten CO2-Reduktionszielen die Rede war, wurden fast alle Zahlen am Ende gestrichen. Das Abschlusspapier bezeichnet lediglich eine deutliche Senkung des Treibhausgas- Ausstoßes als erforderlich, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.

Die Länder sollen aber bis 1. Februar 2010 nationale Klimaschutzziele vorlegen. Kurz- und langfristige Finanzhilfen der reicheren Staaten für die Entwicklungsländer sind vorgesehen, als Anschubfinanzierung von Klimamaßnahmen in den Entwicklungsländern sollen 30 Milliarden Dollar (21 Milliarden Euro) aufgebracht werden. Bundesumweltminister Norbert Röttgen sprach von einem verpassten historischen Moment. Nun wolle er sich bei der nächsten Ministerkonferenz im Juni in Bonn aktiv dafür einsetzen, dass der Prozess weiter vorangetrieben werde. „Wir haben (in Kopenhagen) nicht das erreicht, was wir uns gewünscht haben, aber das, was erreicht werden konnte“, sagte Röttgen der Deutschen Presse-Agentur dpa am Sonntag. „Die Alternative von wenig wäre nichts gewesen.“ Trotz aller Enttäuschung dürfe das Ziel eines umfassenden weltweiten Klimaschutzabkommens aber nicht aufgegeben werden.

Indien lobte den Kompromiss von Kopenhagen als „gut für alle Entwicklungsländer“. Trotz Kontrollen der Klimaziele werde die Souveränität von Entwicklungs- und Schwellenländern geschützt. UN- Generalsekretär Ban Ki Moon nannte die Klimavereinbarung einen „guten Start“. „Mir ist klar, dass viel mehr notwendig sein wird, um den Pfad der Erderwärmung zu verlassen, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Nötig sei aber ein rechtsverbindlicher Vertrag.

Der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, rechnet bei den Konferenzen in Bonn und Mexiko-Stadt mit bindenden Klimavereinbarungen, die am 1. Januar 2013 in Kraft treten sollen. Hoffnungen der Klimaschützer richten sich unter anderem darauf, dass die USA bis zum Gipfel in Mexiko-Stadt im November ein Gesetz zur Treibhausgasreduktion verabschiedet haben könnten. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach mit Blick auf Kopenhaben von einer Schande, wie die Staats- und Regierungschefs die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder aufs Spiel setzten. Grünen-Chefin Claudia Roth zeigte sich fassungslos. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warf Staatenlenkern Arroganz vor.

Der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, sagte: „Die Vereinbarung hilft wenig, den Temperaturanstieg zu bremsen, es ist bei weitem noch nicht genug. Aber das Spiel ist noch nicht abgepfiffen“. In Bonn und Mexiko gehe es weiter.