Bei der Parlamentswahl in Griechenland haben die beiden großen Regierungsparteien nach ersten Prognosen Verluste erlitten.

Athen. Bei der griechischen Parlamentswahl haben die Regierungsparteien, die hinter dem drastischen Sparkurs stehen, dramatische Verluste erlitten. Das ergaben am Sonntag erste Prognosen auf Grundlage von Wählerbefragungen. Die konservative Nea Dimokratia und die sozialistische Pasok bleiben demnach zusammen deutlich unter 40 Prozent. Die Konservativen haben laut Wählernachfragen eine Mehrheit erzielt. Zur Bildung einer Regierung reicht die Zahl der Stimmen aber nicht. Erstmals dürfte das Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) stärkste Oppositionspartei werden.

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Das Bündnis vervielfachte seinen Stimmenanteil auf etwa 15 Prozent. Syriza will die griechischen Schulden nicht begleichen, aber im Euro-Verbund bleiben. Nach den Prognosen entfallen auf die konservative Nea Dimokratia zwischen 20,5 und 24 Prozent. Der Wahlsieger von 2009, die sozialdemokratische Pasok, stürzt auf etwa 13 bis höchstens 17 Prozent ab. Damit wäre sie erstmals seit Jahrzehnten nicht Wahlsieger oder stärkste Oppositionspartei.

Die vermutlich äußerst komplizierte Regierungsbildung dürfte davon abhängen, wie viele Kleinparteien den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde schaffen. Auch eine erneute Neuwahl ist nicht ausgeschlossen. Sollte eine neue Regierung in Athen die – von ihren Vorgängern gemachten – Sparzusagen nicht mehr einhalten, droht die Hilfe aus dem Ausland zu versiegen. Die Folge könnte eine Staatspleite sein. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor zwei Jahren haben Millionen von Griechen erhebliche Einnahme-Einbußen hinnehmen müssen.

Koalition sollte Rettungspaket und Anleihentausch umsetzen

In den vergangenen sechs Monaten wurde Griechenland von einer Koalition aus Konservativen und Sozialisten unter Führung von Ministerpräsident Papademos regiert. Die Koalition wurde mit dem einzigen Ziel geschlossen, das zweite Rettungspaket und einen Anleihentausch sicherzustellen. Beides wurde Anfang April erreicht. Der Preis aber war hoch: Hunderttausende wurden arbeitslos, die Löhne wurden gekürzt.

Vor allem die bislang großen, etablierten Parteien wird der Zorn der Wähler angesichts der miserablen wirtschaftlichen und finanziellen Situation im Land treffen: PASOK und Neue Demokratie, die sich in den vergangenen 38 Jahren in der Regierung abwechselten. Die Wut der Menschen auf die bislang Regierenden ist so groß, dass viele Politiker öffentliche Auftritte mieden, weil sie körperliche Angriffe fürchteten. Der Führer der Sozialisten, der frühere Finanzminister Evangelos Venizelos, wurde bei seiner Stimmabgabe beschimpft. „Diebe raus“, riefen Anwohner.

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Venizelos nannte die Wahl die wichtigste seit dem Ende der Militärdiktatur 1974. Auch sein Konkurrent Antonis Samaras von der konservativen Neuen Demokratie sprach von einer entscheidenden Wahl. „Die Griechen stimmen heute für die Zukunft ihrer Kinder“, erklärte er. „Sie wählen Stabilität, Wachstum, Sicherheit und Gerechtigkeit.“

Der Parteivorsitzende der Koalition der Radikalen Linken, Alexis Tsipras, sagte: „Nach zweieinhalb Jahren der Barbarei ist heute die Demokratie endlich an ihren Geburtsort zurück gekehrt.“

Wahlsieger profitiert von Bonusregelung

Sollte die Neue Demokratie stärkste Kraft werden, profitiert sie von einer Regelung, die der Partei mit den meisten Stimmen 50 Sitze zusätzlich im 300-köpfigen Parlament sichert. Trotzdem muss Samaras in der kommenden Woche wohl Koalitionsgespräche führen, weil die Neue Demokratie die 151 Sitze für eine Mehrheit nicht erreichen wird.

Noch schlechter sah es für die sozialistische PASOK aus, die bei der letzten Wahl 2009 noch auf mehr als 44 Prozent der Stimmen kam. Nun wurden ihr noch zwischen 14,5 und 19 Prozent vorausgesagt. Für die PASOK wäre es das schlechteste Abschneiden seit November 1974, als die Partei gerade zwei Monate nach ihrer Gründung auf 13,5 Prozent kam. Venizelos warnte für den Fall eines starken Abschneidens von Gegnern des internationalen Rettungspakets vor einem Staatsbankrott und Massenarmut.

Tatsächlich steht viel auf dem Spiel. Das Land ist völlig abhängig von Hilfszahlungen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF) und die nächste Regierung muss im kommenden Monat noch weitere Sparmaßnahmen durchsetzen, um einen Staatsbankrott und einen verheerenden Ausstieg aus dem Euro zu verhindern.

Viel dürfte von der Wahlbeteiligung abhängen, die schon beim letzten Mal im Oktober 2009 auf einen historischen Tiefstand von knapp über 70 Prozent gesunken war. Erste Berichte deuteten nun aber auf eine höhere Beteiligung hin.

(dapd)